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Archiv-Artikel

Terrorbekämpfung an der High School

Action, Stars, Romantik: „Main hoon na“ von Farah Khan zieht alle Register des klassischen Bollywood-Kinos

Wenn es mehr Frauen wie Farah Khan gäbe, wäre alles besser. Zumindest in der Filmwelt gäbe es Hoffnung auf eine rosige, herrliche Zukunft. Sie hat mit ihrem Debütfilm „Main hoon ha“ („Ich bin da“) den Supererfolgshit des letzten Bollywoodjahres gedreht. Es ist ein Film, der wirklich alles hat. Stars, Romantik, Herz, Schmerz, Spannung, grandiose Spezialeffekte, Songs, die man noch tagelang im Ohr hat, und Tanzszenen, wie man sie lange nicht so fantastisch gesehen hat. Es ist großes Hindi-Kommerzkino im alten Stil, und doch sehr modern. Begeistert lief das indische Publikum ins Kino.

Die Geschichte lässt sich, wie üblich in Bollywood, nicht in einem Satz zusammenfassen, weil einfach so viel passiert. Aber auch, weil der Plot zwei Erzählstränge verfolgt, die kein anderes Kino der Welt sich trauen würde in einem Film zusammenzubringen: Terrorismus und High-School-Romantik.

Der inzwischen fast 40-jährige Topstar Shah Rukh Khan wird als Student besetzt, wieder einmal. Dabei wird er zunächst als fast streberhafter Major in den Film eingeführt. Dessen Vater, ein ehrwürdiger, um die Aussöhnung von Indien und Pakistan bestrebter Militär, wird gleich zu Beginn des Films in einer Fernsehshow von Terroristen erschossen. Auf dem Totenbett erzählt er seinem Sohn von der Existenz seines Stiefbruders Lakshman und bittet Shah Rukh Khan, die Familie zu versöhnen.

Diese private Mission entspricht zufällig genau der Mission, die Shah Rukh Khans Vorgesetzter nach dem Attentat von seinem Major verlangt. So landet Shah Rukh Khan in einer High School in Darjeeling, und die Dinge nehmen ihren Lauf bis hin zum Geiseldrama – nur, dass am Ende nach bewährter Bollywood-Formula alles gut wird.

Farah Khan gehört zu den neuen Gesichtern in Bollywood. Sie kam nicht – wie sonst üblich – als Tochter eines Regisseurs oder Produzenten in diese Position, sondern als Seiteneinsteigerin. Sie war und ist Choreografin und agierte in diesem Berufszweig schon immer ziemlich weit oben in der indischen Filmhierarchie. Erst recht, nachdem Shah Rukh Khan sie zu seiner Choreografin gemacht hatte. Diese Liaison machte Farah Khan zu einer mächtigen Frau, und Andrew Lloyd Webber engagierte sie für sein Musical „Bombay Dreams“ in London.

Sie kehrte mit erstarktem Selbstbewusstsein nach Indien zurück, entschlossen, einen Film zu drehen, der vor allem eine Hommage an ihre Liebe zum Bollywoodfilm sein sollte und nicht primär das in England und in den USA lebende, zahlungskräftige Publikum von emigrierten Indern bedienen wollte. Mit Shah Rukh Khan als Verbündetem in diesem Experiment konnte zwar nicht wirklich viel schief gehen – und doch war es ein vor allem finanzielles Wagnis, etwas zu tun, was „tout Bollywood“ derzeit für „überholt“ hält: eine geballte Ladung von Action, Romantik und einen Plot, der es wagt, masalamäßig alles in einen Topf zu werfen, was Emotionen beim heutigen, indischen Publikum wachrüttelt.

Dazu gehört nicht zuletzt der gekonnte Einsatz von Spezialeffekten. In „Main hoon na“ fliegt die Spucke eines dicklichen Physiklehrers – ähnlich wie die Kugeln in „Matrix“ – wieder und wieder in die Gesichter der Schüler und adelt Pennäler-Humor durch einen hochaktuellen Hightech-Trick zum running gag. Und wenn Farah Khan in ihrer Geschichte die unglaubwürdigsten „Zufälle“ bemüht, um die Handlung voranzutreiben, dann zitiert sie dabei auf intelligente Art eine Bollywood-Tradition, die bei anderen Großproduktionen immer mehr aus der Mode gerät.

Es ist das Schielen nach dem „overseas-market“, das derzeit in Bollywood zu auch obskuren Resultaten führt: Produktionen, die versuchen, sich dem westlichen Publikumsgeschmack anzunähern, sind en vogue – auch wenn dabei inzwischen zahlreiche Flops entstanden sind. Farah Khan hat sich davon nicht irritieren lassen und „Main hoon na“ als einen modernen Klassiker inszeniert, der auf Schauplätze außerhalb von Indien gänzlich verzichtet – und auch eine politische Alternative zum Propaganda-Kino bietet.

Mit durchschlagendem Erfolg, der ihr als Frau und Newcomerin in der Bollywood-Welt durchaus auch geneidet wird. Farah Khan ist aber lange genug im Geschäft, um zu wissen, wie sie damit umgehen muss. Selbstbewusst, mit neuen Ideen für ihre nächsten Projekte und „hot stories“ aus ihrem bewegten Privatleben versteht sie Bollywoods Männerwelt in Erstaunen zu versetzen und zu beweisen, dass es für Frauen in der indischen Filmwelt auch noch andere Rollen gibt als die der hingebungsvoll Liebenden auf der Leinwand. Sie ist eines dieser erstaunlichen role models für ein emanzipiertes Leben, wie sie krasse Männergesellschaften zuweilen produzieren: klug, raffiniert und ein kleines bisschen ihrer Zeit voraus.

DOROTHEE WENNER