Terroranschlag in der Türkei: Auf der Suche nach den Tätern
Nach dem Attentat in Ankara flammen in der Türkei Proteste auf. Die Tat könnte den Konflikt zwischen Regierung und der kurdischen PKK weiter anheizen.
Ziel des Anschlags war allerdings eine Kundgebung, zu der auch viele Kurden erwartet wurden. Sie richtete sich gegen die Gewalteskalation zwischen türkischen Sicherheitskräften und kurdischen Rebellen und sollte zu mehr Demokratie in der Türkei im Vorfeld der Parlamentswahl am 1. November aufrufen.
Davutoglu verkündete eine dreitägige Staatstrauer. Er sagte, mindestens zwei verdächtige Personen, die sich mutmaßlich ebenfalls in die Luft sprengen wollten, seien in den vergangenen drei Tagen in Ankara und Istanbul festgenommen worden.
Die Bomben explodierten am Samstag im Abstand von wenigen Sekunden in der Nähe des Hauptbahnhofs, als sich dort gerade zahlreiche Aktivisten versammelten. Die Regierung sprach am Abend von 95 Toten und 248 Verletzten, von denen sich 48 in einem kritischen Zustand befänden. Die Ärztekammer des Landes gab die bisherige Zahl der Toten mit 97 an. Sie könne wegen der zahlreichen Verwundeten noch steigen, sagte ein Sprecher.
Erdogan ruft das Land zur Einheit
Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan verurteilte die Attentate und rief das Land zur Einheit auf. „Die größte und bedeutsamste Antwort auf diesen Angriff ist die Solidarität und die Entschlossenheit, die wir ihm gegenüber zeigen werden“, sagte er. Politiker aus aller Welt wie Bundeskanzlerin Angela Merkel sprachen den Angehörigen der Opfer ihr Beileid aus. US-Präsident Barack Obama sagte der Türkei in einem Telefonat mit Erdogan weitere Unterstützung im Kampf gegen Terrorismus und andere Sicherheitsgefahren zu.
Das Massaker könne die ethnischen Spannungen in der Türkei entflammen, sagte Soner Cagaptay, ein Türkeiexperte am Washington Institute. Der Angriff könne das Werk von Gruppen sein, „die hoffen, die PKK oder ihre radikaleren Jugendelemente veranlassen zu können, weiter gegen die Türkei zu kämpfen“. Dafür würde am meisten der IS profitieren, so Cagaptay.
Es war der dritte Anschlag auf kurdische Aktivisten in der Türkei in den vergangenen Monaten. Im Juli kamen 33 Friedensaktivisten in der Grenzstadt Suruc ums Leben. Der Anschlag wurde dem IS zugeschrieben. Im Juni wurden bei einer Wahlkampfveranstaltung der pro-kurdischen Partei HDP zwei Menschen getötet. „Diese Attacke ähnelt den Attentaten von Diyarbakir and Suruc und ist eine Fortsetzung davon“, sagte der HDP-Vorsitzende Selahattin Demirtas. „Wir sind mit einem riesigen Massaker konfrontiert.“
Nach der Attacke von Suruc war die Türkei nicht nur aktiv in die Offensive gegen den IS eingestiegen, sondern begann auch, Angriffe auf die PKK zu fliegen. Rund 150 Polizisten und Soldaten und Hunderte Rebellen wurden seitdem getötet. Am Samstag verkündete die PKK jedoch eine Waffenruhe bis zur Wahl. Gegen türkische Angriffe würde sie sich aber verteidigen, hieß es.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Gespräche in Israel über Waffenruhe
Größere Chance auf Annexion als auf Frieden
Krieg in der Ukraine
USA will Ukraine Anti-Personen-Minen liefern