Terroranschläge in Nigeria: Krieg den Kirchen
Eine islamistische Anschlagsserie auf christliche Gläubige zum Weihnachtsfeiertag fordert Dutzende Tote. Die Regierung von Präsident Jonathan will hart durchgreifen.
Der Attentäter kam im BMW. Als am 1. Weihnachtsfeiertag die Morgenmesse in der katholischen Kirche St. Theresa im Viertel Madalla der Stadt Suleja nach zweieinhalb Stunden zu Ende war und die Gläubigen gegen 8.30 Uhr auf dem Parkplatz in ihre Autos stiegen, fuhr der Luxuswagen vor und flog in die Luft.
Acht Autos fingen Feuer, der dadurch entstandene Feuerball breitete sich schnell aus. Mindestens 35 Menschen sollen lebendig verbrannt sein, die genaue Opferzahl war am Montag noch unklar. Die Kirche und mehrere Häuser in der Nachbarschaft brannten.
Kurz nach dem Anschlag in der Vorstadt der nigerianischen Hauptstadt Abuja explodierten weitere Bomben in christlichen Kirchen Nordnigerias. Eine traf die Kirche Mountain of Fire in Jos, seit Jahren ein Brennpunkt von Gewalt zwischen christlichen und muslimischen Milizen. Eine weitere explodierte in der Stadt Gadaka im Bundesstaat Yobe; zugleich sprengte sich in der Provinzhauptstadt Damaturu ein Selbstmordattentäter in der Zentrale der Staatssicherheit SSS in die Luft.
Mindestens 40 Menschen starben bei der koordinierten Anschlagsserie, zu der sich im Internet die radikale islamistische Terrorgruppe Boko Haram bekannte. Die Terroranschläge wurden weltweit verurteilt.
Nigeria soll nicht zerstört werden
Nigerias Präsident Goodluck Jonathan sprach von einem "üblen Akt" und berief umgehend ein Krisentreffen seiner Sicherheitschefs ein. Dieses verkündete am späten Sonntag, das Jahr 2012 solle für Nigeria ein "Sicherheitsjahr" werden. Boko Haram habe offenbar beschlossen, Nigeria zu zerstören, und man sei entschlossen, dies zu verhindern.
Überraschend kommen die Anschläge nicht. Schon zu Weihnachten 2010 hatte Boko Haram in der Stadt Jos bei Anschlägen auf Kirchen 32 Menschen getötet. Seitdem ist die Gruppe stärker und aktiver geworden. In der Woche vor Weihnachten waren in den Bundesstaaten Borno und Yobe, in der entlegenen nordostnigerianischen Savanne Richtung Tschad und Kamerun, die schwersten Gefechte zwischen Islamisten und Sicherheitskräften seit Jahren ausgebrochen.
Zeitungen sprachen am 24. Dezember von über 80 Toten in Yobes Provinzhauptstadt Damaturu, über die eine nächtliche Ausgangssperre verhängt wurde. Drei Kirchen in Bornos Provinzhauptstadt Maiduguri wurden von Selbstmordattentätern angegriffen. Am 18. Dezember hatte die Polizei nach eigenen Angaben in der größten nordnigerianischen Stadt Kano eine Bombenfabrik entdeckt.
Man habe 100 Aktivisten zu Selbstmordattentätern ausgebildet, hatte Boko Haram kürzlich erklärt. Nach den drei Anschlägen auf Kirchen von Maiduguri am 24. Dezember rechnete die nigerianische Presse zynisch vor, jetzt seien also noch 97 übrig. Nach der jüngsten Bombenserie ist den Journalisten diese Art Galgenhumor vergangen.
Wütende christliche Jugendliche errichteten bereits am Sonntag Straßensperren auf den Hauptstraßen aus Abuja Richtung Norden und lieferten sich Straßenschlachten mit der Polizei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos