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Terrorabwehr in DeutschlandGeprüfte Sicherheit

Union und FDP hatte angekündigt, die Sicherheitsbehörden zu überprüfen. Was sie nun vorhaben, ist wenig. Wer nicht betroffen sein soll, sind die Nachrichtendienste.

Thomas de Maizière: "Um die Nachrichtendienste geht es hier nicht." Bild: dpa

BERLIN taz | Die Evaluierung der Anti-Terror-Behörden hat für Innenminister Thomas de Maizière (CDU) keine Priorität. Zwar ist sie im schwarz-gelben Koalitionsvertrag vorgesehen, zunächst will der Minister aber erst mal die Arbeit anderer Sicherheitsbehörden inklusive Zoll verbessern. Gemeinsam mit Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat er jetzt eine hochrangig besetzte Expertenkommission eingerichtet.

"Die Evaluierung der Sicherheitsbehörden ist eine der großen Aufgaben in dieser Wahlperiode", sagte de Maizière gestern in Berlin. Auch im Koalitionsvertrag heißt es: Angesichts der Haushaltsnotlage müsse man "mit vorhandenen Ressourcen mehr erreichen".

Doppelarbeit und unklare Zuständigkeiten gibt es aber vor allem im Bereich der Terrorismusbekämpfung, wo Befugnisse und Zuständigkeiten in den letzten Jahren wucherten. Vor allem für die Überwachung möglicher "Gefährder" sind Polizei und Verfassungsschutz zuständig. 38 Bundes- und Landesbehörden arbeiten hier nebeneinander her. 2004 musste ein "Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum" (GTAZ, siehe links) eingerichtet werden, um die vielen Anti-Terror-Behörden zu koordinieren. 2006 wurde eine Anti-Terror-Datei beschlossen, die ebenfalls vor allem die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden erleichtern soll.

Doch mit all dem soll sich die Expertenkommission nicht beschäftigen. "Um die Nachrichtendienste geht es hier nicht", sagte de Maizière am Montag unmissverständlich. Und das, obwohl Eckart Werthebach den Vorsitz der Kommission übernommen hat - ein ehemaliger Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz.

Die sechsköpfige Werthebach-Kommission, der auch der ehemalige Generalbundesanwalt Kay Nehm und Ex-BKA-Chef Ulrich Kersten angehören, soll nur Schnittstellen zwischen Zoll, Bundespolizei (Exbundesgrenzschutz) und Bundeskriminalamt aufzeigen und Vorschläge machen, wie die Kompetenzen besser abgegrenzt werden können. Werthebach nannte ein Beispiel: "Bei der Einschleusung illegaler Ausländer hat die Bundespolizei an den Grenzen den ersten Zugriff, das Bundeskriminalamt sammelt als Zentralstelle die Informationen und der Zoll stößt bei der Verfolgung von Schwarzarbeitern auch immer wieder auf illegale Ausländer." Hier müsse geprüft werden, ob das wirklich effizient ist. Die Kommission soll bis zum Herbst einen Bericht vorlegen.

Die Zusammenarbeit von Polizei und Geheimdiensten soll erst in einem zweiten Schritt evaluiert werden. Dann wird es auch um das GTAZ und die Sicherheitsdateien gehen. "Wir gehen davon aus, dass es dann eine ebenso hochkarätige Kommission gibt", erklärte Gisela Piltz, die innenpolitische Sprecherin der FDP gegenüber der taz. De Maizière ließ jedoch erkennen, dass er bei der Terror-Abwehr wenig Probleme sieht. Das GTAZ sei eine "gelungene Angelegenheit", betonte er. Die Anti-Terror-Datei und das Sicherheitspaket II werden auf gesetzlicher Basis evaluiert. Den Auftrag erhielt ein dänisches Unternehmen. Eine eigene Evaluierung wird das Justizministerium vornehmen. Dort geht es um das Strafgesetz zum Besuch von Terrorlagern.

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1 Kommentar

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  • G
    gaijinette

    Mußte meinen Kommentar komplett neuschreiben. Nein, keine Zensur, bloß ein fundamentales Mißverständnis meinerseits. Offenbar las ich zu flüchtig. Schon nach Lesen der Subline hatte ich meine Finger tipbereit im Anschlag. Hatte ich doch wirklich angenommen, 'Union und FDP hatte angekündigt, die Sicherheitsbehörden zu überprüfen' würde bedeuten, daß die Bundesregierung die Sicherheitsbehörden auf Menschenrechtsverträglichkeit hin überprüfen würde. Das wäre ja auch eine Sensation gewesen, die einer Sonderausgabe der taz würdig wäre, hätte ich mir denken können. Obwohl zwischen Ankündigung und Verwirklichung, zwischen Papier und Praxis, eben doch immer eine Kluft klafft... (selber überrascht von dieser Spontanallitaration... 'kläfft' ist noch ein Wort mit 'kl...ft'; wenn ich auch das noch unterbringen würde... dann vielleicht: Die FDP hätte die Chance gehabt, Menschenrechte im Koalitionsvertrag einzufordern, statt dessen hat sie aber nur herumgekl... nein, muß nicht sein jetzt).

     

    Nein, selbst im Koalitionsvertrag geht's bei dieser Überprüfung nur um die Effizienz (darum, 'mit vorhandenen Ressourcen mehr zu erreichen'). Ob damit der Vertragspunkt 'Ausbau der Sicherheitsforschung' vereinbar ist, sei dahingestellt. Ebenfalls nicht erkennbar ressourcenschonend ist die Ankündigung, '[d]ie Aufgabenfelder des Fonds für Opfer rechtsextremistischer Gewalt sowie des Bündnisses für Demokratie und Toleranz sollen auf jede Form extremistischer Gewalt ausgeweitet werden'. Erkennbar hier aber zumindest die Relativierung rechtsextremer Gewalt.

     

    Da also nicht die Einhaltung der Menschenrechte überprüft wird sondern die Effizienz der sie notorisch mit Füßen tretenden 'Dienste', ist es nicht verwunderlich, daß man die bisher Verantwortlichen dafür heranzieht.

     

    Auch wenn die euphemistisch als Nachrichtendienste bezeichneten Organisationen (VS, BND und dergleichen) diesmal nicht einbezogen sind, im Koalitionsvertrag sind sie durchaus mitgemeint: 'Wir werden [...] die bestehenden Aufgaben und Zuständigkeiten der Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern [...] evaluieren.' Eine Frage der Zeit, bis auch deren Effizienz gesteigert wird. Andererseits würde das eine Transparenz voraussetzen, für die diese sogenannten Dienste eher nicht bekannt sind.

     

    Daß ein Ex-Verfassungs-'Schutz'-Chef eine Kommission leitet, die die sogenannten Nachtrichtendienste gar nicht betrifft, harmoniert nicht sonderlich gut mit der Koalitionsaussage, 'wir halten am Trennungsgebot zwischen Polizei und Nachrichtendiensten fest'. Aber es paSSt.

     

    --gaijinette