Terror-Prozess: Arabische Chats mühsam entschlüsselt
Im Prozess gegen den mutmaßlichen Terrorhelfer Redouane E. H. zeigen sich neue Abhörverfahren. Zeitweise wurde jede Mail und jeder Chat-Kontakt übersetzt.
SCHLESWIG taz Telefonate, Mails und Chats: Über 500.000 Dateien hat die Polizei bei den Ermittlungen gegen den mutmaßlichen Terrorhelfer Redouane E. H. zusammengetragen, gegen den zurzeit in Schleswig verhandelt wird. Ihm wird vorgeworfen, Selbstmordattentäter angeworben und Geld an Helfer überwiesen zu haben, außerdem soll er eine terroristische Vereinigung gegründet haben. Dass die ihm zur Last gelegten Taten größtenteils virtuell, im und durch das Internet stattfanden, mache den Pilotcharakter des Verfahrens aus, hatte Matthias Krauß, Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof, am ersten Verhandlungstag gesagt.
So ging es gestern um Details des Abhörverfahrens, das Gericht hatte dazu zwei Kripobeamte geladen. Der erste berichtete von der technischen Seite: Nicht die Polizei selbst greift auf die Daten zu, sondern sie übermittelt dem jeweiligen Telefon- und Internetanbieter den richterlichen Beschluss, eine bestimmte Leitung zu überwachen. Der Anbieter schickt dann alle ein- und ausgehenden Daten, die über diese Nummer laufen, an die Zentralstelle der Kripo.
Zurzeit werden analoge Telefonnummern und DSL-Anschlüsse unterschiedlich behandelt: Für jede Form der Datenübertragung muss es einen eigenen Beschluss geben - eine Forderung der Telefonanbieter, die Staatsanwaltschaft geht grundsätzlich davon aus, dass ein Beschluss reicht. Doch in vielen Fällen, so auch bei Redouane E. H., werden zwei Beschlüsse beim Gericht beantragt und dem Telefonanbieter geschickt.
Bei der Kripo werden alle Daten gespeichert, aufbereitet und dem Ermittler zur Verfügung gestellt. Im Fall E. H., der im Juli 2006 verhaftet wurde, dauerte es bis April 2007, bis über das Internet geführte Telefonate überhaupt entschlüsselt werden konnten. Da E. H. in Kiel einen Internet-Shop betrieb, wurden nicht nur seine, sondern auch die Mails, Chats und Telefonate seiner Kunden aufgezeichnet.
Ins Visier der Fahnder kam der 37-jährige Deutsch-Marokkaner, weil er Kontakt zur Ehefrau von Said Bahaji aufnahm, der zur "Hamburger Zelle" gezählt wird. Anfangs sei jede Mail, jeder Chat übersetzt worden, berichtete der zweite Zeuge, einer der Ermittler. Anhand der Zeiten, zu denen sich Redouane E. H. in seinem Laden aufhielt, ließ sich schließen, welche Mails er geschrieben, unter welchen Nicknames er an Chats teilgenommen hatte. In der zweiten Phase der Überwachung konzentrierten sich die Fahnder auf diese Gespräche, suchten gezielt nach Namen und bestimmten Themen.
Die meisten Texte mussten aus dem Arabischen übertragen werden - angesichts der Menge schier unmöglich. Die vom BKA eingesetzten Dolmetscher ließen seitenweise Texte unübersetzt, machten teilweise nur kurze Vermerke. "Etwa, dass dort ein langes Koranzitat steht", nannte der Zeuge als Beispiel. Die Verteidigung beharrte lange auf diesem Punkt und auch auf der Frage, ob sämtliche von E. H.s Nicknames aufgedeckt worden seien - der Zeuge gab zu, dass möglicherweise einige Identitäten fehlten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!