Terror Mindestens 22 Verletzte nach Anschlag mit selbstgebautem Sprengsatz in Londoner U-Bahn: Bombe in der Lidl-Tüte
Aus London Daniel Zylbersztajn
Wieder ein Terroranschlag in Großbritannien: In einem voll besetzten U-Bahnzug der Londoner District Line, der sich stadteinwärts von Wimbledon Richtung Paddington bewegte, ist es am Freitag morgen, gegen 8.20 Uhr zu einer Explosion gekommen. Kurz nach dem Halt an der Station Parsons Green, diese befindet sich im Westen der Stadt, kam es in einem der hinteren Wagen zu einem lauten Knall. Daraufhin entfachte sich laut Augenzeugenberichten ein starker Feuerball über den Köpfen der Passagiere. 22 Personen erlitten dabei Verletzungen, die meisten davon Brandwunden.
Keine dieser Verletzungen ist laut Aussagen der Notdienste jedoch lebensgefährlich. Einige Personen könnten auch im panischen Gedränge der Flucht aus den U-Bahn-Waggons verletzt worden sein, denn bei Parsons Green handelt es sich um eine alte und enge U-Bahnhaltestelle aus dem Jahr 1880 mit nur einem Treppenaufgang. Es heißt, dass Menschen in Panik teilweise übereinander gelaufen seien.
Die britische nationale Antiterroreinheit bezeichnete den Vorfall bereits am Vormittag als einen Terrorakt. Ausgelöst worden sei die Explosion durch einen improvisierten Sprengsatz mit Zeitzünder. Handyaufnahmen von Augenzeugen zeigen die Überreste eines brennenden großen Plastikeimers in einer Lidl-Plastiktasche im U-Bahn-Waggon. Es wird angenommen, dass der Sprengsatz nicht ganz explodierte.
Die britischen Sicherheitskräfte hatten am Nachmittag eine verdächtige Person identifiziert. Zur Entschlüsselung wurden viele Überwachungskameras ausgewertet, die überall in den U-Bahnhaltestellen und -Waggons angebracht sind. Weitere Umstände sind noch nicht geklärt.
Die Explosion vom Freitagmorgen war bereits die fünfte Terrorattacke in London seit Januar. Weitere sechs geplante Attacken sollen in der gleichen Zeit von Sicherheitskräften noch vor der Ausführung vereitelt worden sein.
2005 hatten Selbstmordattentäter in drei U-Bahn-Zügen und einem Bus 52 Menschen getötet und über 700 weitere verletzt. Seit dieser Zeit gilt in Großbritannien landesweit und fast permanent die zweithöchsten Sicherheitsstufe. Zur Sicherheit und Beruhigung der Bevölkerung wird es in den nächsten Tagen in London eine erhöhte Polizeipräsenz im öffentlichen Verkehrswesen geben.
Der London Bürgermeister Sadiq Khan sprach von einer Veränderung des Lebens in der westlichen Welt. Die Zivilbevölkerung müsse aufgeweckter durch den Alltag gehen, und insbesondere jeglichen Verdacht melden.
Der ehemalige Londoner Polizeihauptkommissar Dal Babu erklärte in einem Interview auf Sky News, dass die Personalreduzierungen bei den britischen Sicherheitskräften aufgrund der Sparpolitik der letzten sieben Jahre nicht im Einklang mit dem Terrorrisiko in London stehe. Auch Sadiq Khan bestätigte, dass mehr Ressourcen nicht fehl am Platz seien.
Theresa May, die nach einer Krisensitzung der Regierung die Explosion als feige bezeichnete, wollte auf derartige Argumente nicht eingehen. Sie verwies stattdessen auf die vor Kurzem beschlossene Erhöhung der Anzahl bewaffneter Beamter in London. Vielmehr sei es notwendig, die Machtbefugnisse des Staats auszuweiten, sagte sie, und forderte eine bessere Regulierung des Internets und der sozialen Medien, um so der Verbreitung von Hass entgegenzutreten.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen