Tennisprofi Zverev im Zwielicht: Freunde und Feinde
Bei den ATP-Finals bestätigt Alexander Zverev erneut seine starke Form. Beschädigt wird die tolle Jahresbilanz jedoch durch Gewaltvorwürfe gegen ihn.
Fünf Titel hat Zverev in dieser Saison gewonnen. So viele wie keiner seiner Konkurrenten. Darunter waren die prestigeträchtigen Masters-Turniere in Madrid und Cincinnati. Sein nach eigenen Angaben „emotionalstes Erlebnis der Karriere“ fand aber im Sommer bei den Olympischen Spielen statt. Dort schlug er im Halbfinale im vermutlich besten Match seiner Karriere zunächst den Weltranglisten-Führenden Novak Đoković und im Endspiel Karen Khachanov aus Russland.
Der Gewinn der Goldmedaille hat definitiv etwas gemacht mit dem Fast-Zwei-Meter-Riesen. Zverev kann immer noch unnahbar wirken, und manche Kritiker werfen ihm eine gewisse Arroganz vor, aber gerade die Erlebnisse in Tokio, das betont Zverev bei jeder Gelegenheit, haben ihn auch demütig gemacht. Dieses für einen Individualsportler neue Gefühl, bei Olympia im Kollektiv ein Land zu repräsentieren, war wichtig – und hat seine Wirkung nicht verfehlt. Zverev ist reifer geworden, auch sportlich.
Seine Grundschläge sind noch einmal härter, er ist beweglicher als früher und kann aufgrund seiner verbesserten Physis problemlos lange Matches bestreiten. Das unerschütterliche Vertrauen in die eigene Stärke ist Zverev eh gegeben. Nach der Niederlage gegen Medwedew klang er nicht wie ein Verlierer: „Es war alles gut. Alles ist okay. Ich habe immer noch große Chancen, das Turnier hier zu gewinnen“, sagte er.
Gewaltvorwürfe seiner Ex-Freundin
Mit einem Sieg im letzten Gruppenspiel gegen den polnischen Turnier-Debütanten Hubert Hurkacz am Donnerstag könnte Zverev den Halbfinal-Einzug klarmachen. Natürlich hat ihn die Niederlage gegen Medwedew, der sich langsam zu einer Art Erzrivalen entwickelt, geärgert. Das leicht Patzige, das dann beim Weltranglistendritten gerne durchschimmert, gehört zum Programm. Da bleibt Zverev bei aller persönlichen Erneuerung ganz der Alte.
Trotz des sportlichen Höhenflugs und seiner immer erfolgreicher verlaufenden Karriere, zuletzt war Zverev sogar für die Auszeichnung als „Sportler des Jahres“ im Gespräch, schwebt ein schweres Thema über dem Hamburger. Es geht um die seit einem Jahr im Raum stehenden Gewaltvorwürfe einer Ex-Freundin. Die russische Fotografin Olya Sharypova hat Zverev in zwei langen Veröffentlichungen in den amerikanischen Magazinen Raquet und Slate im Herbst 2020 und 2021 vor den US Open schwer beschuldigt.
Es geht um physische und psychische Gewalt. Zverev bestreitet die Vorwürfe. Mittlerweile untersucht die Spielervereinigung ATP den Vorfall. Wie genau und mit welcher Intensität, ist allerdings unklar. Man hört, dass Sharypova noch immer nicht kontaktiert worden sei. Zverev unterstützt die Ermittlungen der Spielerorganisation. Zuletzt etwas darüber gesagt hat er am Rande der US Open im September. Seitdem schweigt Zverev.
In der Tenniswelt wird über den Fall getuschelt, mal leise, mal lauter. Im Internet hat sich eine breite Front auf die Seite der Russin geschlagen. Hinter dem Hashtag #IBelieveOlya versammeln sich viele User, die Sharypova unterstützten. Zverev wurde und wird dort von seinen Anhängern verteidigt. Der heftigste Gegenwind kommt aus den USA, dem Land, in dem die Vorwürfe publik wurden. Wie im Internet, so gibt es in der Tennisbranche zwei Fraktionen. Gerade von den internationalen Medien wird Zverev äußert kritisch betrachtet. Das geht so weit, dass bestimmte Pressevertreter den Deutschen in ihrer Berichterstattung und auf Pressekonferenzen ignorieren. Zverev lässt sich davon bisher nicht beeindrucken.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!