Tennis: Federer und sein Angstgegner
Will Weltranglistenerster Roger Federer die Australian Open gewinnen, muss er seinen Angstgegner Nikolai Dawydenko aus dem Weg räumen.
Mit dem Hemd, das John McEnroe bei der Auslosung zum ersten Grand-Slam-Turnier des Jahres trug, wäre er am Waikiki Beach auf Hawaii nicht aufgefallen, an einem ganz normalen Arbeitstag mitten in Melbourne wirkte die Aufmachung dagegen ziemlich blumig. Aber da der Altmeister des Tennis von der klassisch-elegant gekleideten Ana Ivanovic begleitet wurde, war dem Ernst der Sache schließlich Genüge getan, und zusammen brachten die beiden eine bunte Mischung für die Australian Open im Tennis zustande. Mit einer anspruchsvollen Aufgabe für die Nummer eins des Männertennis, Roger Federer, und einer ungleich größeren für die ehemalige Nummer eins des Frauentennis und mit Spannung erwartete Rückkehrerin, Justine Henin aus Belgien.
Federer hatte auf einen Start beim Einladungsturnier in Kooyong verzichtet, um sich mit Frau und Kindern in Melbourne einzuleben, wozu unter anderem auch ein PR-Auftritt in Sachen Schokolade gehörte, bei dem er als Schiedsrichter tätig war. Wenn das Turnier am Montag beginnt, werden die Süßigkeiten sparsamer dosiert sein. Dazu genügt der Blick auf das am Freitag ermittelte Tableau, in dem sein Weg im Viertelfinale den jenes Mannes kreuzen könnte, der ihn zuletzt zweimal besiegt hat - Nikolai Dawydenko aus Russland.
Federer und der an Nummer drei gesetzte Novak Djokovic (Nummer 3) stehen in der oberen Hälfte, Titelverteidiger Rafael Nadal (2), US-Open-Sieger Juan Martin del Potro (4) und Andy Murray (5) in der unteren; die Kräfte sind also fast so schön verteilt, wie es die blauen Kringel auf McEnroes Hemd waren. Deutschlands Bester, Tommy Haas, gehört zur Hälfte von Federer und wird in der ersten Runde am Dienstag gegen den schwäbischen Kollegen Simon Greul spielen. Das letzte Testspiel vor dieser Begegnung verlor Haas am Freitag in Kooyong allerdings gegen den Franzosen Jo-Wilfried Tsonga, zur selben Zeit schied Philipp Kohlschreiber rund zweieinhalbtausend Kilometer nordöstlich von Melbourne im Halbfinale des ATP-Turniers in Auckland/Neuseeland gegen Tsongas Landsmann Arnaud Clément aus.
Einen Sinn für knifflige Aufgaben bewiesen McEnroe und Ivanovic vor allem im Fall der belgischen Rückkehrerin Justine Henin, die zwei Jahre nach ihrem letzten Auftritt bei einem Grand-Slam-Turnier und dem wenige Monate später folgenden überraschenden Rücktritt nun in Melbourne wieder dabei ist. Und das mit einer Aufgabe, die es in sich hat: Falls sie in der ersten Runde gegen die ebenfalls aus Belgien kommende Kirsten Flipkens siegt, könnte sie danach bereits auf die russische Olympiasiegerin Jelena Dementjewa treffen, im Viertelfinale wäre eine Begegnung mit Kim Clijsters möglich, deren Beispiel als erfolgreiche Rückkehrerin nach dem emotionsreichen Sieg bei den US Open New York allerdings nicht zu überbieten ist.
Ein Spiel für die Fotografen wird die Begegnung der russischen Maschas Maria Scharapowa und Maria Kirilenko sein, ein Spiel für Lautmaler wird die Begegnung zwischen den Damen Wozniacki aus Dänemark und Wozniak aus Kanada sein, beide Töchter polnischer Väter. Keine ganz leichte Aufgabe für den Schiedsrichter, da nicht den Überblick zu verlieren - fast so schwer wie für Stammgäste im Melbourne Park. Im steten Bemühen, die Anlage attraktiver zu gestalten, ist ein neuer Bereich für die Tennisfans entstanden, und der früher so dicht bevölkerte Platz vor der großen Videowand wurde mit Tischen und Stühlen versehen. Hoffentlich nicht zu vielen Stühlen, denn man erinnert sich an Ausschreitungen in den vergangenen Jahren, bei denen sich rivalisierende Fangruppen mit Sitzgelegenheiten beworfen hatten.
Im allgemein schon recht bunten Bild der Zuschauer aus aller Welt werden diesmal Schiedsrichter und Ballkinder nicht zu übersehen sein. Die einen mit grell neongrünen Hemden ausgestattet, die anderen in pinkfarbene gesteckt, das Ganze zur Geltung gebracht vom Hellblau als Grundfarbe im Melbourne Park und dem satten Blau der Tennisplätze. Aber vor allem in den ersten Tagen des Turniers wird ein bisschen Farbe nicht schaden können; der Wetterbericht sagt Regen voraus, grau in grau.
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