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■ Cyberspace für den Alltag? Hugo, die Interaktive Gameshow des Kabelkanals, startet am 18. April

Jedes neue Medium enthält alle älteren Medien in sich, hat Marshall McLuhan einmal geschrieben. Jetzt muß sich der Medienphilosoph posthum ausgerechnet vom Münchner Kabelkanal eines besseren belehren lassen: Am 18. April startet um 17 Uhr auf Leo Kirchs Archivfilm-Recycling-Sender Kabelkanal die interaktive Gameshow „Hugo“, die ein Medium in sich enthält, das jünger ist als das Fernsehen – nämlich das Computerspiel. Bei „Hugo“ können alle Game-Boys und -Girls vor der Glotze mitspielen. Allerdings nur mit Hilfe eines Mediums, das älter ist als Fernsehen und Computerspiel – nämlich des Telefons.

Als Kabelkanal-Programmleiter Ludwig Bauer „Hugo“ jüngst der Presse vorstellte, konnte er ob der medialen TV-Revolution kaum an sich halten: Die Show sei „die Abkehr vom passiven Fernsehkonsum“, mache „den Zuschauer zum Hauptakteur“, ja, sei gar „Cyberspace für den Alltag“. „Hugo“ mache, so Bauer, „Schluß mit den Einweg-Sehgewohnheiten der vielbeschworenen Couch-Potatoes, deren Interaktion sich zumeist auf die Handhabung der Fernbedienung beschränkt“. Mit solch stumpfsinnigem Geglotze sei es nun vorbei: In der neuen Show können die ZuschauerInnen den interaktiven Troll „Hugo“ – ähnlich wie bei einem Computerspiel – mit ihrem Tastentelefon über den Bildschirm bewegen.

Und so sollen bei „Hugo“ aus lahmen Couchkartoffeln aktive Telefonmuscheln werden: Unter 0137-323 536 können ZuschauerInnen die „Hugo-Hotline“ anwählen. Wer durchkommt, darf den Troll mit der Telefontastatur durch sechs „aufregende Erlebniswelten“ lotsen, die den kindlichen Weltentwürfen von Nintendo- Spielen ähneln: Hugo muß seine Frau Hugoline aus den Fängen einer bösen Hexe befreien. Bei Druck auf die „4“ hüpft Hugo nach links, bei „6“ nach rechts, bei „2“ beziehungweise „8“ geht es rauf oder runter.

Je weiter der Telefon-Kandidat Hugo auf seinen Irrfahrten über Flüsse und Berge leiten kann, desto größer ist sein Gewinn: Wer schon auf den digitalen Stromschnellen in Seenot gerät, bekommt gerade mal eine Kiste Cola. Wer erst im unterirdischen Bergwerk scheitert, dem winkt eine Marken-Jeans oder ein Barbie- Haus – für Möglichkeiten zum Product Placement ist also ausreichend gesorgt.

Videospiele wie „Hugo“ (die Version für den Homecomputer ist schon in Arbeit) erfreuen sich bei jungen Leuten großer Beliebtheit. Eine Zielgruppe, für die sich die werbetreibende Industrie besonders interessiert. Die Show ist bewußt um 17 Uhr zwischen Nachmittags- und Vorabendprogramm plaziert worden. Zu dieser Zeit sitzen noch die Kids vor der Röhre, aber auch Ältere haben sich schon zugeschaltet. Wie Kabelkanal-Geschäftsführer Karlheinz Jungbeck frohlockend verkündet, stimme zu dieser Sendezeit „die Mischung zwischen Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen“. Um diese Zielgruppe optimal anzusprechen, moderieren zwei Super- Mario-Sisters die Show, mit denen sich das TV-Jungvolk identifizieren können soll: die 16jährige Münchner Gymnasiastin Judith Hildebrandt und die ehemalige Lufthansa-Pilotin Sonja Zietlow (25), die sich bei der Pressekonferenz vorwiegend durch zotige Sprüche hervortat.

Die Technik, mit der Hugo durch die digitalen Spielwelten bewegt wird, stammt aus Dänemark, wo die „Hugo“-Show schon seit einiger Zeit zu sehen ist: Drei Großrechner wandeln hinter den Kulissen die Telefonimpulse der Zuschauer in Hugo-Bewegungen um. Trotz des technischen Aufwands ist die „Interaktivität“ der neuen Gameshow indessen kaum größer als bei der Lou-van-Burg-Show „Der Goldene Schuß“, die in den sechziger Jahren ein Straßenfeger war.

Was ist also das Neue an „Hugo“? „Spielerisch lernt man noch immer am leichtesten“, erklärt Karlheinz Jungbeck sybillinisch. Es darf also spekuliert werden: Vielleicht ist „Hugo“ nur eine Dressurübung für die Fernsehzuschauer: Hier sollen sie lernen, wie man per Telefon mit der Glotze kommuniziert. Wer die Tipptasten beherrscht, ist schon ein potentieller Kunde beim „interaktiven“ Teleshopping per Telefon – in den USA oder Italien schon lange ein einträgliches Geschäft. Ob Leo Kirch, der neben dem Kabelkanal auch Pro 7, das DSF und teilweise Sat.1 kontrolliert, nach einer neuen Einkommensquelle sucht? Tilman Baumgärtel

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