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Telespiele

■ Zur Einführung eines „Pay-TV„-Kanals in Berlin

Das wird die größte Spielwiese Europas“, jubelt Daniel M. Schmid, Geschäftsführer in Leo Kirchs neuem Abonnementfernsehen „Teleclub“, das man seit dem 6. April auch im Berliner Kabelnetz empfangen kann. Zur Zeit werden monatlich 50 Spielfilme - ohne Werbebeiträge - gegen Bezahlung angeboten. Das Teleclub-Mitglied muß neben den 90 Mark für die Aufnahme in den Club, monatlich 34 Mark bezahlen. Außer einem Kabelanschluß braucht der Programm -Abonnent noch ein im Fernsehfachhandel erhältliches Zusatzgerät, einen sogenannten Decoder. So billig, wie der Medien-Multi verspricht, kommt der Zuschauer allerdings nicht davon. Abgesehen von der einmaligen Beitrittsgebühr von 90 Mark und der Kabelanschlußrechnung von 675 Mark, muß der „Pay-TV„-Kunde noch monatlich 16,25 Mark Rundfunk-, 9 Mark Kabelgebühr und 34 Mark für sein TV-Abo zahlen.

Die Programm-Veranstalter zeigen 25 neue Filmtitel pro Monat und 25 Reprisen des Vormonats. Jeder Film wird fünfmal an verschiedenen Tagen zu unterschiedlichen Sendezeiten wiederholt. Aktuelle Spielfilme sollen die Zuschauer „Lachen machen, rühren, berühren und für den nächsten Tag motivieren“. „Seit 'Pay TV‘ fühle ich mich viel besser“, schwärmt ein begeisterter Abonnent des neuen Spielfilm -Kanals, außerdem wäre das Programm billiger und praktischer als eine Videothek. Jetzt könne er endlich kostenlos soviele Filme kopieren, wie er wolle und müsse sich nicht mehr an lästige Rückgabefristen halten. „Seit 'Pay TV‘ nehme ich mit meinen vier Videos den ganzen Tag nur noch Spielfilme auf.“ Jetzt habe er keine öden Nächte mehr. Statt Erlebnis, „Erlebniskino“ - ganz bequem mit Schluffen und Bier.

Seit fünf Jahren probt Teleclub in der Schweiz das „harte Geschäft des Abonnenten-Fernsehens“. Mäßig fanden die Mitgesellschafter Springer und Bertelsmann den Einstieg von „Pay TV“ in Hannover und noch bevor sich das Triumvirat in Berlin als 25. Anbieter in das mit 410.000 Anschlüssen größte Kabelnetz Europas einreihen konnte, stiegen die beiden aus. Allein auf sich gestellt will die 100prozentige Tochter von Leo Kirchs „Taurus Film“ von „Duisburg bis Oldenburg Tausende“ an die Mattscheibe bringen. Bis 1991 soll das Sendegebiet von Teleclub 300 Städte umfassen.

Bei der Beschreibung seines neuen Programms wird es dem „knallhart kalkulierende Geschäftsführer“ Schmid ganz weich ums Herz: „Das ist doch unverwechselbar, sie sitzen im Sessel, schauen auf die Leinwand, der Vorhang geht auf, die Musik beginnt - sehen Sie dieses Gefühl können sie sonst gar nicht mehr haben, es sei denn Sie sind Pay-TV Abonnent.“ Mit welchen zahlenden Zuschauer er diese Wonne gerne teilen möchte, zeigen die Werbesprüche: „Ich seh Dir in die Augen, Kleines. Wenn Du mit mir Filme sehen willst, Kleines, dann mußt Du auf Wetten das verzichten.“ Kindern suggeriert eine Stimme: „auch für Berliner unter 14.“ Daß im „Kabel -Kino“ keine Soft-Pornos gezeigt werden, dafür sorge schon diestrenge Landesmedienzentrale. Wie schnell den Kabelkontrolleuren bei Fleisch und Straps die Brille beschlägt, konnte man vor einigen Monaten im bayerischen „Tele 5“ beobachten. Wahrscheinlich tragen die Berliner Sittenwächter gar keine.

Bettina Bausmann

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