Telekom soll Kunden bespitzelt haben: Der Call- & Spy-Tarif

Weiterer Skandal in einem DAX-Unternehmen: Die Telekom soll ihre Manager und Journalisten bespitzelt und dabei ihre Kundendaten genutzt haben.

Wer telefoniert schon gerne bei einem Unternehmen, das die eigenen Kunden bespitzelt? Bild: dpa

Die Polizei interessiert sich schon lange für die bei Telefonfirmen gespeicherten Daten über Telefonverbindungen. So kann sie herausfinden, mit wem ein Mordopfer zuletzt telefoniert hat, aber auch, wen ein Verdächtiger kennt.

Wer mit wem telefoniert hat, wollte nun offensichtlich auch die Deutsche Telekom im eigenen Interesse erfahren. Um eine undichte Stelle im Unternehmen zu finden, ließ sie Wirtschaftsjournalisten, aber auch Manager und Aufsichtsräte der Unternehmens ausspähen, berichtete der Spiegel am Wochenende. Der Kern des Skandals: Die Telekom ließ dabei wohl auch Verbindungsdaten von Kunden auswerten, um herauszufinden, wer mit wem telefoniert hat.

Die unbefugte Weitergabe solcher Verbindungsdaten ist strafbar. Geldstrafe oder Haft bis zu fünf Jahren wird in Paragraf 206 des Strafgesetzbuchs dafür angedroht. Dramatisch dürfte aber auch der drohende Imageverlust sein: Wer telefoniert schon gerne bei einem Unternehmen, das bei Bedarf einfach die eigenen Kunden bespitzelt?

Konkret geht es um die Jahre 2005 und 2006, als Kai-Uwe Ricke Vorstandschef war. Er galt als Zögerer, der sich im Vorstand und gegenüber dem Aufsichtsrat nicht richtig durchsetzen konnte. Immer wieder berichteten Medien über Interna aus vertraulichen Sitzungen.

Deshalb schaltete Ricke die Abteilung Konzernsicherheit ein, um das Leck zu finden. Dies räumte er auch gegenüber dem Spiegel ein. In der Folge wurden brisante Akten mit geheimen Kürzeln versehen oder mit Falschinformationen gespickt, um die Wege solcher Unterlagen zu bestimmten Journalisten nachzuvollziehen. Das allein wäre noch zulässig.

Für die zweifelhaften Aktivitäten wurde aber wohl eine Berliner Beratungsfirma eingeschaltet. Die will in das Büro eines Wirtschaftsjournalisten einen "Maulwurf eingeschleust" haben. Das soll aus einem Fax hervorgehen, das die Berliner Schnüffelfirma Ende April an die Rechtsabteilung der Telekom sandte. Angemahnt wurden ausstehende Honorare in sechsstelliger Höhe.

Aus diesem Fax ergibt sich laut Spiegel auch, was die Firma im Rahmen der Operationen "Clipper" und "Rheingold" noch betrieb: "die Auswertung mehrerer hunderttausend Festnetz- und Mobilfunk-Verbindungsdatensätze der wichtigsten über die Telekom berichtenden deutschen Journalisten und deren private Kontaktpersonen". Das Gleiche habe man mit "mehreren Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmerseite" wiederholt. Der Spiegel geht davon aus, dass auch leitende Manager des Unternehmens überwacht wurden.

Die Formulierungen legen nahe, dass dabei nicht geprüft wurde, ob von Telekom-Diensttelefonen die Nummern von Journalisten angerufen wurden. Das wäre höchstens arbeitsrechtlich relevant. Vielmehr scheinen die Anschlüsse von Journalisten, also von Telekom-Kunden, darauf überprüft worden zu sein, ob es von dort aus Anrufe bei Verantwortlichen des Unternehmens gab. Die Verbindungsdaten der Telekom-Kunden kann die Berliner Firma dann wohl nur von der Telekom selbst erhalten haben.

Die Telekom und der seit Ende 2006 amtierende neue Vorstandschef René Obermann scheinen den Vorgang jedenfalls sehr ernst zu nehmen. Als es im Sommer 2007 erste Hinweise gab, wurde die Konzernsicherheit umgebaut und erhielt einen neuen Leiter. Die Staatsanwaltschaft wurde von der Telekom allerdings wohl erst eingeschaltet, nachdem die Berliner Firma Ende April ihre Honorare anmahnte. Derzeit prüft die Staatsanwaltschaft Bonn die erhaltenen Unterlagen, hat aber noch kein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Exvorstandschef Ricke sagte dem Spiegel: "Ich habe niemals illegale Aufträge erteilt und schon gar nicht angeordnet, Telefonverbindungsdaten auszuspähen." Die Berliner Beratungsfirma behauptet dagegen, sie sei "direkt vom Vorstand (in enger Abstimmung mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden) beauftragt" worden. Vorsitzender des Aufsichtsrats war damals Klaus Zumwinkel, der im Februar unter dem Verdacht der Steuerhinterziehung als Chef der Deutschen Post zurücktrat.

Constanze Kurz vom Chaos Computer Club zeigte sich über die ganze Affäre "überhaupt nicht überrascht". Sie hätten schon immer davor gewarnt, dass die Verbindungsdaten auch im Unternehmen missbraucht werden könnten. "Wenn die Daten erst mal da sind, muss man auch damit rechnen, dass sie zweckentfremdet werden", sagte die Berliner Informatikerin der taz. Max Stadler, der Innenexperte der FDP, forderte, "möglichst wenig private Daten zu sammeln". Die Verbindungsdaten sollten deshalb auch nicht, wie voriges Jahr vom Bundestag beschlossen, ein halbes Jahr auf Vorrat gespeichert werden. Der Deutsche Journalistenverband sprach von einem "Angriff auf die Pressefreiheit" und forderte vollständige Aufklärung.

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