Telefonischer Luxus: Anrufe, die exklusiv bleiben
Gefangene haben keine Wahl: Sie müssen beim teuren Monopolisten telefonieren. Der findet seine Preise „angemessen“. Die Grünen sprechen von „Wucher".
BREMEN taz | Telefonieren ist ein Luxus. Wenn man einsitzt. Aus dem Bremer Gefängnis kostet ein zehnminütiges Gespräch in die Türkei rund neun Euro, nach Rumänien sogar fast 14 Euro. Draußen aber nur noch ein paar Cent. Und dort gibt es konkurrierende Anbieter. Und im Knast einen Monopolisten – die Firma Telio.
Auch innerhalb des Landes sind Telefongespräche für Gefangene teuer: Ortsgespräche kosten sie zehn, Ferngespräche 20 Cent pro Minute, Telefonate aufs Handy sogar fast 70 Cent. Günstigere Verbindungen und Sonderrufnummern sind nicht zugelassen. Die Grünen-Politikerin Sülmez Dogan spricht von „Wucherpreisen“ bei Telio, der grüne Fraktionssprecher Matthias Makosch hat „arge Zweifel“, ob die Gebühren „angemessen“ sind – was Telio behauptet.
Die Telefone im Gefängnis sind keine gewöhnlichen Apparate. Sie funktionieren ohne Bargeld oder Karten, die zu einer Knastwährung werden könnten. Die WärterInnen können Telefonate mitschneiden und woanders mithören, aber auch Vertraulichkeit gewähren, wenn die Insassen mit AnwältInnen, PfarrerInnen oder DrogenberaterInnen sprechen. Und für jeden einzelnen der Inhaftierten lässt sich genau regeln, mit wem sie wann – und ob sie überhaupt gerade – telefonieren dürfen.
Telio „kassiert einfach ab“, sagt einer der Inhaftierten – „man kann sich das kaum leisten“. Das wöchentliche Taschengeld liegt ja nur bei 22,05 Euro. Damit hätten aber auch „mittellose Gefangene“ die Chance, zu telefonieren, schreibt der Senat in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Fraktion.
Telio rechtfertigt seine Preispolitik mit dem Hinweis auf den „sehr limitierten Nutzerkreis“ und die „hohen Aufwendungen für Einrichtung und Betrieb der Telefonie“. Bei diesen Kosten hält sich die Firma schadlos – an den Gefangenen: Telio wirbt damit, dass seine Telefonanlage das Gefängnis „unter bestimmten Voraussetzungen gar nichts“ kostet. Die Firma rechnet allein mit den Gefangenen ab.
Die Tarife seien nicht mit jenen zu vergleichen, die ansonsten am Markt verlangt werden, so eine Firmensprecherin. Für die Insassen fielen „keinerlei Grundgebühren“ an, und die vom Gesetzgeber geforderten Sicherheitssysteme und Serviceleistungen würden „nicht von den Justizvollzugsanstalten übernommen“. Zudem lägen die Tarife „zwischen sieben und 67 Prozent unter jenen, die die Deutsche Telekom an öffentlichen Fernsprechern verlange. „Die allgemeine Kostenentwicklung“ bei der Telefonie sei auf das Gefängnis „nicht übertragbar“, sagt auch der Senat. Anders als manche Gefangene sieht die Landesregierung die erfolgreiche Resozialisierung durch die hohen Telefonkosten auch nicht in Gefahr. Gerade in der Entlassungsvorbereitung und „in dringenden Fällen“ könnten Gefangene laut Senat häufig auch von Apparaten ihrer Aufseher telefonieren, etwa mit Behörden.
Zwar könnte Bremen eine eigene Telefonanlage in seinem Knast installieren – „theoretisch und technisch wäre das machbar“, heißt es dort –, aber das sei „eine Kostenfrage“. Die öffentliche Hand fährt mit Telio günstiger, auch in Berlin, Hamburg, Niedersachsen oder Schleswig-Holstein telefonieren Gefangene mit jener Firma, die 1999 in Hamburg anfing.
Für Bremer Gefangene wird sich so schnell sicher nichts an ihrer Telefonrechnung ändern – Bremen hat 2007 einen Vertrag mit Laufzeit von zehn Jahren unterschrieben, ein Jahr später wurde diese sogar noch auf 15 Jahre verlängert. Es gab außer Telio „keinen weiteren Anbieter“, sagt der Senat. Mehr Wettbewerb sei aber „wünschenswert“. Beim nächsten Mal, fordern die Grünen, sollen „günstigere Bedingungen“ ausgehandelt werden.
www.bremische-buergerschaft.de/drs_abo/2013-10-02_Drs-18-1082_23ec2.pdf>
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