Teilwiederholungswahl Berlin: Eben doch wichtig
Die Teilwiederholungswahl am 11. Februar könnte für die Wahlkreise Charlottenburg-Wilmersdorf und Pankow richtig spannend werden.
Keine drei Wochen sind es noch bis zum 11. Februar, an dem knapp jeder und jede Fünfte in Berlin noch mal die Chance hat, den Bundestag zu wählen. 867 Tage werden dann seit dem 26. September 2021 vergangen sein, als in Berlin massive Pannen die kombinierten Wahlen auf Landes- und Bundesebene begleiteten.
Während aber die Wahl zum Abgeordnetenhaus nach einem Urteil des Landesverfassungsgerichts komplett wiederholt wurde und das schon Anfang 2023, hielt das Bundesverfassungsgericht kurz vor Weihnachten die Pannen nicht flächendeckend für gravierend. Für den Bundestag gibt es nur in 455 der 2.256 Wahlbezirken eine Wiederholung.
Weil diese 455 ungleichmäßig über die Stadt verteilt und die Bezirke Lichtenberg und Treptow-Köpenick kaum betroffen sind, war mit dem Urteil auch klar: Die Linkspartei muss zumindest bei der Wiederholungswahl nicht um ihr politisches Überleben fürchten, für das sie zwingend auf die beiden dortigen Direktmandate angewiesen ist. Und die Mehrheit der Ampelkoalition wäre selbst bei einer kompletten Wiederholung nicht gefährdet gewesen.
Im September folgen die Landtagswahlen in Sachsen
Alles egal also am 11. Februar? Eben nicht. Das liegt zum einen am Termin, zum anderen daran, dass es zwar nicht im Großen, aber im Kleinen sehr spannend werden kann. Denn die Wahl ist die bundesweit erste in diesem an wichtigen Wahlen so vollen Jahr und habe darum Signalwirkung, war etwa von SPD-Bundeschef Lars Klingbeil zu hören, als die Sozialdemokraten jüngst ihren Wahlkampf starteten. Am 9. Juni steht die Europawahl an, im September folgen die Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Ein hoher AfD-Stimmenanteil, so wie derzeit in vielen Umfragen, ist genau das Signal, das viele befürchten.
Vor allem eine geringe Wahlbeteiligung könnte dazu führen: Geht die Anhängerschaft der AfD anders etwa als eigentlich eingeschworene Unterstützer von CDU, SPD und Grünen geschlossen zur Wahl, kann sich das Ergebnis deutlich an den rechten Rand verschieben. Denn am 11. Februar zählen allein die Stimmzettel in den Wahlurnen, nicht grundsätzliche Sympathien. Aus Sicht vieler Politiker wäre das gerade nach den jüngsten Enthüllungen um enge Verbindungen der AfD mit Rechtsextremismus ein fatales Zeichen.
Wahlleiter Stefan Bröchler hat mehr als einmal Befürchtungen Richtung geringerer Beteiligung als 2021 geäußert, als rund 75 Prozent mitstimmten. Zumal der Wahltag noch in die Winterferien fällt. Ein anderer Termin war aber kaum möglich: Laut Gesetz muss die Wahl binnen 60 Tagen nach dem Gerichtsurteil stattfinden – und die wollte man ausreizen, um den Parteien zumindest die Möglichkeit eines Kurz-Wahlkampfes zu geben.
Jenseits der großen Botschaft, bei der für das berlinweite Ergebnis dann tatsächlich jede Stimme zählt, gibt es im Kleinen zwei Bezirke, in denen es neue Wahlsieger geben könnte: Pankow und Charlottenburg-Wilmersdorf. Und hier kommen die eingangs erwähnte Bundesministerin Paus und Ex-Regierungschef Müller ins Spiel. Beide sind nämlich Konkurrenten im Wahlkreis Charlottenburg-Wilmersdorf. Den gewann SPD-Mann Müller 2021 mit rund 5.400 Stimmen Vorsprung vor der Grünen. Aber dieses Mal könnte – allerdings nur bei starker Wahlbeteiligung – trotz damals deutlichen Rückstands CDU-Kandidat Klaus-Dieter Gröhler an beiden vorbeiziehen. Denn in 42 Prozent der Wahllokale, also fast jedem zweiten, wird in ihrem Wahlkreis erneut gewählt. Und während die 2021 erfolgreiche SPD in bundesweiten Umfragen auf bis zu 13 Prozent abgesackt ist, kommt die CDU teils auf weit über 30 Prozent.
Müller bliebe allerdings auch bei einer Niederlage im Bundestag.
Müller bliebe allerdings auch bei einer Niederlage im Bundestag. Denn er ist wie die 2022 zur Ministerin avancierte Paus über die Landesliste abgesichert. Das ist jene Liste, über die eine Partei Mandate besetzt, wenn ihr mehr Parlamentssitze zustehen, als sie Wahlkreise gewonnen hat. CDU-intern aber wäre das zusätzliche Direktmandat folgenreich bis problematisch. Rückt Gröhler neu ins Parlament, müsste mutmaßlich für ihn die Letzte jener Berliner CDUler Platz machen, die derzeit über die Landesliste im Bundestag sind – und das ist ausgerechnet die Generalsekretärin des Landesverbands, Ottilie Klein.
Mehr Menschen als in Charlottenburg-Wilmersdorf dürfen nur in Pankow nochmals wählen, nämlich 82 Prozent. In 7 anderen der 12 Wahlkreise, die weitgehend identisch mit den 12 Stadtbezirken sind, darf hingegen weniger als jeder und jede Zehnte noch mal ran an die Urne. In 3 weiteren sind es zwar mehr, doch Ausgangs- und Umfragelage machen eine Veränderung gegenüber 2021 unwahrscheinlich.
Es ist das Pech beispielsweise von CDU-Bewerberin Christina Schwarzer in Neukölln, dass das Bundesverfassungsgericht in ihrem Wahlkreis anders als in Pankow kaum etwas zu beanstanden hatte. Denn bei der Abgeordnetenhauswahl vor einem Jahr lag Schwarzers Partei anders als bei der Bundestagswahl klar vorn, und die Stimmung hat sich weiter pro CDU entwickelt. Aber weil in Neukölln nur in rund jedem zehnten Wahllokal neu gewählt wird, ist der Vorsprung des Siegers von 2021, Hakan Demir (SPD), aus den Wahllokalen, deren Ergebnisse bestehen bleiben, nach aller Wahrscheinlichkeit trotz des CDU-Booms nicht einholbar.
Am spannendsten ist die Lage in Pankow, wo 4 von 5 Wahlberechtigten wieder an die Urnen dürfen. Hier konnte 2021 Stefan Gelbhaar erstmals das Direktmandat für die Grünen holen – er siegte vor SPD und Linken. Die CDU kam damals nur auf knapp halb so viele Stimmen wie er. Bei der Abgeordnetenhauswahl Anfang 2023 aber lagen die Christdemokraten nur knapp hinter den Grünen, der bundesweite Trend verläuft seither klar zugunsten der Christdemokraten. SPD-Kandidat Klaus Mindrup, 2021 auf Platz 2, hat zwar das Glück, dass ausgerechnet in vielen jener Wahllokale, in denen er damals sehr stark abschnitt, nicht erneut abgestimmt wird. Doch sein Partei stürzte seither in den Umfragen ab.
Was die Sache zusätzlich spannender macht: CDU-Konkurrentin Manuela Anders-Granitzki war 2021 in Pankow noch weitgehend unbekannt. Seither aber ist sie als Ordnungs- und Umweltstadträtin in einem zentralen Feld der Bezirkspolitik aktiv. „Das ist eine ziemlich offene Sache“, sagt Grünen-Kandidat Gelbhaar der taz, „jede Stimme zählt.“ Das gilt für ihn nicht nur, weil Pankow der erste rein ostdeutsche Wahlkreis ist, den die Grünen je gewonnen haben: „Es geht auch darum, bei dieser ja bundesweit ersten Wahl ein Signal auszusenden, vor allem gegen die AfD.“
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