"Taz"-Genossenschaftsversammlung: Die "taz" ist eine Website
Kultur der Fairness statt Gratis-Kultur: Die "taz" freut sich über steigende Gewinne und will den Journalismus mit freiwilligen Zahlungen ins Online-Zeitalter retten.
BERLIN taz | Bei einigen Zeitungsverlagen müssen die Surfer erst zahlen, bevor sie Artikel lesen dürfen. Die taz.die tageszeitung lehnt das ab und setzt auf einen anderen Weg: "Die anderen schimpfen über die Gratis-Kultur im Internet, wir etablieren eine Kultur der Fairness", sagte Online-Redaktionsleiter Matthias Urbach am Samstag in Berlin auf der Jahresversammlung der taz-Genossenschaft. Den mehr als 300 angereisten taz-Eigentümern rief er in Erinnerung, dass die Zeitung einen Erfahrungsvorsprung gegen über anderen Verlagen hat. Denn während andere Verlage nach jahrzehntelang stabil hohen Gewinnen jetzt um ihr Geschäftsmodell bangen, kenne die taz das schon seit ihrer Gründung.
"Es verschiebt sich bereits jetzt die Wahrnehmung der Leser, was eigentlich die taz ist", sagte Urbach. Für immer mehr Leser ist die taz eine Webseite – über die erreicht sie inzwischen deutlich mehr Menschen als über die gedruckte Ausgabe. "Wir gehen weiter zum Kiosk, aber der Kiosk verändert sich", sagte Urbach. Online kämen die Leser etwa über Google News, Facebook oder den Kurznachrichtendienst Twitter, auf dem die taz bereits 50.000 Abonnenten hat – mehr als die gedruckte Ausgabe.
Der Journalismus werde sich durch die Online-Möglichkeiten verändern, so Urbach. Als Beispiel nannte er die Datenbank mit den Parteispenden oder die interaktive Karte über die Fluglärm-Belastung des derzeit erweiterten Berliner Flughafens. Er verwies auch auf eine Erfindung der taz-Online-Redaktion: Den Liveticker zu politischen Ereignissen wie etwa zum Castor-Transport, zur Blockade von Neonazi-Demonstrationen oder zum 1. Mai in Berlin.
Die Rede von Elke Schmitter zur Panter-Preis-Verleihung 2011 können Sie hier lesen. Schmitter ist Mitglied im Stiftungskuratorium der taz Panter Stiftung. Schmitter war von 1992 bis 1994 Chefredakteurin der taz. Heute gehört die Schriftstellerin der Spiegel-Redaktion an.
Das alte Geschäftsmodell der Zeitungen lasse sich nicht eins zu eine auf die Online-Welt übertragen, sagte Urbach. Und die Beschränkung des Angebots auf zahlende Leser passe nicht zum Grundgedanken der taz. Sehr gut passe hingegen der Gedanke der Solidarität. Schließlich zahlen bei der gedruckten Ausgabe rund 10.000 Abonnenten freiwillig einen höheren Preis, damit andere die taz ermäßigt bekommen. Und schließlich funktioniere ja auch die taz-Genossenschaft nach dem Solidarmodell.
"Auch die Genossenschaft hat klein angefangen"
"Unsere Idee ist, dass man den Leuten erst etwas gibt und sie dann fragt, ob sie dafür bezahlen wollen", erläuterte Urbach. Jeder zahle dabei so viel er will, wie oft er will und wann er will. Und zwar per Kreditkarte, mit dem Handy, per Überweisung oder über die Internet-Bezahldienste Amazon und Flattr. Als die taz damit im April startete, kamen gut 9.000 Euro rein. Seither sank der Betrag jeden Monat, im August waren es nur noch rund 2.200 Euro. Im Verhältnis der taz-Gesamteinnahmen von 25 Millionen Euro im Jahr ist das recht wenig, aber "auch die Genossenschaft hat klein angefangen", so Urbach.
Die nachlassende Zahlungsbereitschaft der Online-Leser "erschreckt uns nicht", ergänzte Nina Schoenian, die in der Marketing-Abteilung der taz arbeitet. Um dem entgegenzuwirken, wolle die taz auch regelmäßige Zahlungen per Lastschrifteinzug ermöglichen. Wer dabei mitmacht, kann ein Foto von sich in die Galerie der freiwilligen Zahler hochladen und bekommt ein T-Shirt mit dem Slogan "taz zahl ich" geschenkt.
Insgesamt verlief das Jahr 2010 für die taz, die lange rote Zahlen schrieb, erneut erfolgreich. "2010 hat sich nicht viel verändert im Vergleich zu 2009, was eine gute Nachricht ist, weil 2009 ein sehr gutes Jahr war", freute sich Verlagsgeschäftsführer Karl-Heinz Ruch. Der Umsatz stieg um zwei Prozent, und die taz konnte zum zweiten Mal in Folge sogar einen Gewinn ausweisen, der bei 385.000 Euro lag. Das wichtigste Standbein der taz blieben dabei die Einnahmen durch Abonnements, die rund 70 Prozent des Umsatzes ausmachten und auf 17,4 Millionen Euro stiegen.
Im Vergleich der vergangenen zehn Jahre hat die taz nur sechs Prozent ihrer Abos verloren, während die meisten anderen überregionalen Zeitungen deutlich stärker verloren: Die Frankfurter Allgemeine Zeitung 19 Prozent, das Handelsblatt 34 Prozent, die Frankfurter Rundschau sogar 42 Prozent. Dabei geht es jedoch nur um die Vollabos, also um Leser, die ihre Zeitung an sechs Tagen in der Woche erhalten.
Über 6.000 Wochenendabos
Die taz konnte die Rückgänge mit neuen Abo-Angeboten mehr als ausgleichen. Derzeit abonnieren 8.500 Leser die Le Monde diplomatique, die einmal im Monat erscheint. 3.200 Leser zahlen mindestens zehn Euro pro Monat für das E-Paper, also eine elektronische Ausgabe der gedruckten taz. Und 6.170 Menschen haben ein Wochenendabo abgeschlossen.
Und inhaltlich? In der gegenwärtigen Krise des Kapitalismus könnte der taz schließlich zu Gute kommen, dass jetzt alle sagen, was die taz schon immer geschrieben hat. Doch "das bedeutet nicht automatisch, dass die taz davon profitiert", warnte Ulrike Herrmann, die in der taz über Wirtschaftsthemen berichtet und Mitglied des Vorstands ist. "Es ist zu befürchten, dass wir von der Rechten links überholt werden", sagte sie.
Der Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Frank Schirrmacher, hatte im August etwa geschrieben, dass die Linke recht hatte mit ihrer Kapitalismuskritik. Doch die Stärke der taz werde sein, so Herrmann, dass sie gerade über die Krise unabhängiger als andere Zeitungen berichte: "Schließlich gehört die taz ihren Lesern und hier kann kein Kapitaleigentümer vorgeben, was in der Zeitung zu stehen hat."
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