Taxifahrerinnen in Kairo: Das Wunder hinter dem Lenkrad
Inas Ali ist eine der ersten Frauen, die ein Taxi durch Kairo steuern. Es werden immer mehr - Frauentaxis liegen im Trend. Doch Frauenrechtlerinnen befürchten Ausgrenzung.
KAIRO taz | Wo immer Inas Ali mit ihrem gelben Taxi an einer Kairoer Ampel stoppt, tritt bei den Autofahrern offene Kieferstarre ein. Kein Wunder - sie ist ein Kuriosum, eine von nur acht Taxifahrerinnen in der 18-Millionen-Stadt Kairo.
Alle seien von ihrem Anblick total überrascht, aber die meisten würden sie respektieren und ermutigen, erzählt Inas Ali, während sie ihre Karosse souverän durch alle Fährnisse steuert, die Kairos Verkehr zu bieten hat. Wenn sie nicht lacht, dann lächelt sie, während sie erzählt. Bunt sieht sie aus, schwarze Leinenhose, ein rosa-weiß gestreiftes Sweatshirt, ein um den Hals drapierter rosa-khakifarbener Schal, dessen Verlängerung ihr auch noch als Kopftuch dient, leicht geschminkt und mit einer dunklen Brille: Schutz vor der Sonne und wahrscheinlich auch vor den Blicken, von denen die meisten aber eher sympathisierender Natur sind. "Viele rufen mir zu: ,Gott sei mit dir', oder: ,Möge Allah dich erhalten, dich segnen und ein Auge auf dich haben.' Das freut mich natürlich."
Viele aber seien einfach ein wenig verwirrt. Kommt ein männlicher Kunde, weiß er oft nicht, ob er vorn oder hinter einsteigen soll. Einer hat sogar vorgeschlagen, sie solle sich hinten hinsetzen, und er fährt. Er würde das auch nicht der Firma verraten. Er sagte, er könne das einfach nicht, sich von einer Fahrerin chauffieren lassen, erinnert sich Inas. Aber das meinte er nicht böse, lacht sie. Schließlich habe er sich doch seinem Schicksal ergeben. Allerdings gebe es auf der Straße auch manchmal Idioten, die ihr zurufen, sie solle sich an den Herd und zu den Kindern begeben. Doch das sei die Ausnahme. Derartiges lässt die geschiedene Mutter von zwei Kindern ohnehin kalt.
Vor neun Monaten hat sie angefangen. "Damals ist mir eine Anzeige aufgefallen, als eine Taxifirma Fahrerinnen gesucht hat. Da bin ich sofort neugierig geworden. Das klang irgendwie so aufgeklärt, fast wie in Europa", erinnert sie sich. Inas wurde sofort angestellt. "Als ich dann mit einer weiteren Kollegin auf das Verkehrsamt gegangen bin, um meinen Berufsführerschein zu machen - das war besser als Kino", grinst sie. Inmitten von angehenden ägyptischen Kraftfahrern von Lkws, Bussen und Taxen standen plötzlich zwei Frauen. "Die wussten zunächst gar nicht, was sie mit uns machen sollten", blickt Inas zurück. Der Fahrlehrer schickte erst einmal alle Männer auf einen Tee, als er die beiden Frauen prüfte.
Es werden nicht die letzten weiblichen Prüflinge sein. Auf dem Tisch ihres Chefs Emad Abdel Rahman liegen bereits 70 weitere Bewerbungen von Frauen - verheirateten, geschiedenen, ledigen, zwischen 25 und 50 Jahre alt. Manche sind Hausfrauen, andere sind ihres bisherigen Arbeitsplatzes überdrüssig, viele haben einen Studienabschluss. "Aber es sind immer noch zu wenige", klagt Emad. Er suche mindestens 100 Fahrerinnen. "Frauen bringen mehr Einnahmen und halten die Autos naturgemäß sauberer", sagt er. Es sei ihm peinlich, das als Mann zu sagen, doch es sei die Wahrheit. Mehr noch: "Die Fahrerinnen arbeiten nun bereits seit neun Monaten für uns, und es ist keine einzige Beschwerde über sie eingegangen. Unsere Fahrer kassieren jeweils mindestens einmal pro Woche eine Beschwerde." Emad schüttelt den Kopf. "Wenn denen der Reifen platzt, rufen sie an und fordern Hilfe. Die Frauen holen den Wagenheber aus dem Kofferraum", erzählt er. Er habe das am Anfang selber nicht geglaubt.
All das führt dazu, dass Emad geradezu besessen davon ist, seine Firma weiblicher zu machen. Er möchte, dass eine Frau seine Garage leitet, dass eine Leiterin angestellt wird und auch eine Frau die Buchhaltung führt", schwärmt er von der Zukunft. "Am Ende werde ich unsere Garage rosa anstreichen lassen", grinst er.
"Mir geht es nicht darum, als Frauenfreund gefeiert zu werden, ich will als Geschäftsmann einfach nur Profit machen", schildert er sein Motiv. Denn eigentlich gehe es hier um Angebot und Nachfrage und da sei der Fall vollkommen klar: Jede dritte Anruferin in der Taxizentrale fragt inzwischen, ob eine Fahrerin kommen könne. Da hat Emad sofort ein Geschäft gewittert. Er hat das Projekt eines reinen Frauentaxis studiert, in Europa und auch im Libanon, und hat dann im Kairoer Bürgermeisteramt um eine Lizenz nachgefragt, um einen Frauentaxidienst einzurichten. Die Antwort steht noch aus. Emad hat trotzdem gehandelt und schon Fahrerinnen angestellt, vorläufig noch, um im herkömmlichen Taxidienst zu arbeiten, mit Frauen und Männern als Kundschaft.
Inas selbst fährt inzwischen fast ausschließlich Frauen und hat viele Stammkundinnen. "Frauen fahren Frauen, das ist eine tolle Idee", meint eine ihrer Kundinnen, die Architektin Mariam Quraschi. "Inas fährt nicht so verrückt. Außerdem wird man als Frau von den Fahrern oft belästigt. Mit einer Fahrerin fühle ich mich sicherer", erzählt sie. Frauen beschweren sich immer wieder, dass die Fahrer, statt auf die Straße zu sehen, sie über den Rückspiegel anstarren oder sie gleich anmachen. Sexuelle Belästigung von Frauen ist inzwischen nicht nur in Taxis zu einer Plage geworden.
Erst im Dezember hatte die Vizepräsidentin des ägyptischen Parlaments, Zeinab Radwan, ein Gesetz gefordert, das die sexuelle Belästigung von Frauen unter Strafe stellt. Frauengruppen werfen der Polizei immer wieder vor, das Problem nicht ernst zu nehmen. Laut einer Studie des Ägyptischen Zentrums für Frauenrechte, haben 83 Prozent aller Ägypterinnen und 98 Prozent der im Land lebenden Ausländerinnen angegeben, bereits sexuellen Belästigungen ausgeliefert gewesen zu sein.
Als Konsequenz wurden in den letzten Jahren immer mehr öffentlich Räume "Nur für Frauen" geschaffen. Begonnen hat es mit einem U-Bahn-Wagen nur für Frauen, in den letzten Monaten sind Frauencafés populärer geworden. Die Idee des Frauentaxis liegt also im Trend.
Es sind ausgerechnet ägyptische Frauenrechtlerinnen, die Bedenken anmelden. "Dass Frauen als Fahrerinnen einen neuen Arbeitsbereich erobern ist natürlich positiv, meint Nevin Obeid von der ägyptischen Frauenrechtsgruppe Al-Mara al-Gedida, zu Deutsch "Die neue Frau". Doch sie warnt davor, dass das Projekt auch ein weiterer Schritt sei, Frauen auszugrenzen. Was freiwillig beginnt, könnte unfreiwillig enden.
"Im Moment reden sie davon, dass das Frauentaxi als Dienstleistung eine gute Idee sei. Dann wird das zu einer kulturellen und am Ende zu einer religiösen Notwendigkeit. Dann dürfen Frauen nur noch mit Frauen fahren. Am Ende geht es darum, Frauen im öffentlichen Leben auszugrenzen", befürchtet sie. Für sie geht es den Anhängern von "Nur-für Frauen-Einrichtungen" in Ägypten nicht darum, den Frauen neue Bereiche zu erschließen, sondern sie in einer Art Parallelgesellschaft auszugrenzen. "Erst heißt es, du kannst nur noch ausgehen, wenn dich eine Frau fährt, dann heißt es, du kannst nur noch in eine reine Mädchenschule gehen, und dann werden die Vorlesungen an Universitäten nach Geschlechtern getrennt, und dann kehren wir zurück zu den Zeiten, in denen Frauen nur mit verschleierten Gesichtern vor Männern auftauchen. Wo ist die Grenze?", fragt sie.
Statt die Frauen auszugrenzen, soll die Stadtverwaltung lieber für ein menschenwürdiges öffentliches Verkehrssystem sorgen, in dem die Passagiere nicht wie Sardinen gequetscht werden, fordert sie. Und es sei die Polizei, die für die Sicherheit aller Bürger zuständig ist. Hier würden Ängste von Frauen instrumentalisiert, um sie zu isolieren, warnt sie. Es gebe keinen Zweifel daran, dass Frauen von Männern sexuell belästigt werden, die Frage sei nur, wie das bekämpft werden soll.
Gaffer auf der Nilbrücke
Die Taxifahrerin Inas akzeptiert diese Kritik nicht. Für sie folgt die Idee eines Frauentaxis eher Vorbildern in Europa. Ihr liege es vollkommen fern, Frauen gesellschaftlich zu isolieren, sie sorge lediglich für ein sicheres Umfeld für die Frauen, argumentiert sie.
Während sie am Steuer sitzt und das sagt, hat sie ohnehin andere Probleme. Sie steckt in einem der berüchtigten Kairoer Staus fest, und die Männer in den anderen Autos glotzen sie an. Sie lässt wenig Platz bis zur Stoßstange ihres Vordermannes, dennoch drängt sich sofort der Fahrer von der Nachbarspur hinein. Er grinst arrogant herüber. Inas nimmt es gelassen. Frauen, sagt sie, seien eindeutig die besseren Fahrer. "Sie haben mehr Geduld, fahren nicht so aggressiv, bleiben ruhig und verstricken sich im Verkehr nicht in unsinnige Hahnenkämpfe. Sie fahren einfach sicherer."
Geduldig arbeitet sie sich auf der Nilbrücke Meter für Meter nach vorn. Wenig später zieht sie wieder an dem Drängler vorbei - ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht macht BND für Irrtum verantwortlich
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?
Kretschmer als MP von Linkes Gnaden
Neuwahlen hätten der Demokratie weniger geschadet
Studie zum Tempolimit
Es könnte so einfach sein