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Tausende Roma abgeschobenZurückgeschickt in die Fremde

Fast ein Drittel der Angehörigen von Minderheiten aus dem Kosovo hat Deutschland seit 2010 abgeschoben. Unter ihnen sind viele Kinder, die den Kosovo gar nicht kennen.

"Absolute Verelendung": Ein Romajunge in Mitrovica. Bild: Reuters

BREMEN taz | Seit 2010 haben rund 30 Prozent aller Minderheitenangehörigen aus dem Kosovo, die vor dem Krieg hierher geflüchtet sind, Deutschland verlassen. Die meisten davon waren Roma. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken hervor. Über 3.250 "Abschiebeaufträge" in das Kosovo haben die Länder demnach erteilt, bei 1.650 davon handelte es sich um Familien mit Kindern. Viele dieser Kinder sind in Deutschland geboren und noch nie im Kosovo gewesen.

Oft wurde die Abschiebung tatsächlich nicht vollzogen, weil die Flüchtlinge untertauchten, in ein anderes Land gingen oder der Aufforderung zur sogenannten freiwilligen Ausreise nachkamen. "Im Kosovo erwartet Roma- und andere Minderheitenangehörige absolute Verelendung, erneute Vertreibung und Not", sagte die Linken-Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke. "In Deutschland hingegen sind die noch verbliebenen 7.000 Roma verwurzelt, ihre Kinder sind hier zur Schule gegangen." Ein Bleiberecht für sie sei "überfällig".

2010 haben der damalige Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und die kosovarische Regierung ein Rücknahmeabkommen geschlossen. Damals hielten sich etwa 11.700 Roma, Ashkali und Ägypter aus dem Kosovo in Deutschland auf. Derzeit sind es noch rund 8.100. Die UNO-Verwaltung für das Kosovo (Unmik) hatte es wegen der katastrophalen humanitären Lage und pogromartiger Übergriffe immer abgelehnt, Minderheitenangehörige zurückzunehmen. Dennoch Abgeschobene schickte die Unmik teils sofort nach Deutschland zurück. Doch nachdem die Unmik das Kosovo 2008 in die Unabhängigkeit entließ, kam das Rücknahmeabkommen zustande.

Humanitäre Lage kaum verbessert

Die humanitäre Lage hat sich indes kaum verbessert. Doch nur 3 Prozent aller Roma aus dem Kosovo, die 2010 in Deutschland einen Asylantrag stellten, wurden anerkannt. Im Auftrag der EU-Grenzschutzagentur Frontex hat die Fluglinie Air Berlin in diesem Jahr durchschnittlich alle zwei Monate eine Abschiebe-Charterflug von Deutschland nach Prishtina durchgeführt.

Manche Bundesländer wie Bremen haben Abschiebungen von Roma ins Kosovo ausgesetzt, Nordrhein-Westfalen verfügte ein Abschiebe-Moratorium für die Wintermonate. Ein von mehreren Ländern gefordertes, dauerhaftes Bleiberecht für Roma scheitert jedoch an der Ablehnung durch das Bundesinnenministerium.

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13 Kommentare

 / 
  • I
    Inka

    In den nächsten Jahren sollen in Folge des Kosovo-Rückübernahmeabkommens von April 2010 alleine in Baden-Württemberg über 1.000 langzeitgeduldete Roma, darunter viele Kinder in den Kosovo abgeschoben werden, bundesweit sind es über 10.000. Die Landesregierung hat im August 2011 diese Abschiebungen vorübergehend ausgesetzt. In den nächsten Wochen soll entschieden werden, ob wieder aus Baden-Württemberg abgeschoben wird.

     

    Ein Aufruf des landesweiten Netzwerkes rassismuskritische Migrationspädagogik fordert die Landesregierung in Baden-Württemberg auf, die Abschiebungen von Roma in den Kosovo aus historischen, grund- und menschenrechtlichen sowie pädagogischen Gründen endgültig zu stoppen und insbesondere für langzeitgeduldete Kinder und ihre Familien ein dauerhaftes Bleiberecht zu ermöglichen.

     

    Von dieser Entscheidung erhoffen wir uns eine Signalwirkung auf alle anderen Landesregierungen und ein bundeseinheitliches Bleiberecht.

    Unterzeichnen Sie den

    www.aufruf-gegen-abschiebung.de !

  • S
    Schweizer
  • J
    Jimmy

    Sorry, wenn ich das nur mal so anmerke. Bitte beachten, welcher Personenkreis als Flüchtlinge überhaupt anerkannt werden könne, bzw. müssen.

     

    Ein Blick in die Gesetzeslage verleiht Aufklärung!

     

    Zu beachten ist das Asylverfahrensgesetz (AsylVfG). Asylbewerber müssen Flüchtlinge nach § 1 AsylVfG sein.

     

    Wann und wieso Asylbewerber als Flüchtlinge anerkannt werden, bestimmt die Genfer Flüchtlingskonvention die von Deutschland anerkannt und ratifiziert wurde.

     

    Demnach sind nach Art 1 ff der Genfer Flüchtlingskonvention Füchtlinge (Asylbewerber) wenn nachfolgende Voraussezungen der Verfolgung vorliegen. Wie Verfolgung wegen

     

    Rasse, Relgion, Nationalität, Zugehörigkeit einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen politischer Überzegung

     

    Es reicht zur annerkennung eines Flüchtlinges schon aus, wenn eine solche Verfolgung droht und noch nicht vorliegend ist.

     

    Um nunmehr die Abschiebepraxis der Deutschen Behörden hinsichtlich von Roma-Angehörigen einzuordnen, bleibt nur die Feststellung, dass jede einzelne Abschiebung eines Roma-Angehörigen in den Kosovo unrechtmäßig nach herrschender Gesetzeslage ist. Unrechtmäßig offensichtlich, weil im Kosovo Roma-Angehörige wegen ihrer Zugehörigkeit zu dieser Volksgruppe systematisch von stattlichen Stellen im Kosovo bekanntlicher Weise benachteiligt werden. Dies allein ist schon ausreichen zur Anerkennung eines Asylbewerbers. Deutsche Gerichte, die eine Abschiebung, bzw. enen Asylbewerber nicht anerkennen, sind davon abhängig, wie die Politik die jeweilige Situation in den einzelnen Staaten beurteilt. Wenn sodann die Einschätzung eines Staates nicht der Wirklichkeit entspricht, urteilen trotzdem Deutsche Gerichte aufgrund der fehlerhaften Einschätzung. So kommt es zu der grotesken Situation, das alle Wisssen, das ein Urteil falsch ist und deshalb wird der Vollzug des Urteils (Abschiebung) ausgestzt!

     

    Zu fragen ist in diesem Zusammenhng, warum die Einschätzung der politischen Situation einzelner Staaten nicht der Realität entspricht. Ist dies etwa seitens Deutscher Politiker, bzw. der zuständigen Ministerialbürokratie so gewollt? Meine Vermutung ist, dass absichtlich eine falsche Einschätzung der politischen Situation einzelner Staaten erfolgt. Wenn eine richtige Einschätzung erfolgen würde, würden sodann mehr Flüchtlinge als Asylbewerber anerkannt werden müssen. Dies ist seitens der Politik jedoch offensichtlich nicht gewollt!

     

    Dies zeigt jedoch aber auch, dass rechtsstaatliche Grundsätze wegen des Vorteils weniger Asylbewerber anzuerkennen vorsätzlich ausser Acht gelassen werden.

     

    Armseliges Deutschland.

  • M
    MIke

    Das Asylrecht gilt nur und ausschliesslich für Verfolgte , und das auch nur solange bis sich die Situation im Herkunftsland geändert hat. Genau darauf beschränkt sich das Menschenrecht 'Asylrecht'.

    Das Asylrecht ist kein Recht zur Migration.

     

    "hat dort weniger Chancen" , "sinkender Lebensstandard" und ähnliches sind kein Grund für Asyl.

  • HM
    Hermann Mahr

    Bemerkung für die weiße Rose:

     

    "bigottes Gelage der satten Heuchler"

     

    Unser Weihnachtsessen:

     

    Bratkartoffeln mit Bohnen und Bratwurtstschnecke

  • P
    Paradoxfrosch

    @tommy:

     

    "Zudem liegt der Kosovo immerhin in unserem Erdteil, so dass wir ohnehin eine gewisse Verantwortung haben."

    - So ist das also, auf den Tellerrand geben wir großzügieger Weise noch Acht, die Tischdecke ist dann schon egal!

     

    "...schließlich trägt auch Deutschland durch seine Mitwirkung am Kosovo-Krieg Verantwortung dafür,..."

    - Als einer der größten Waffenlieferanten der Welt trägt Deutschland an etlichen Konflikten eine Mitschuld. Dass unsere sogenannte "erste Welt" auf der Unterdrückung und Ausbeutung des ganzen großen Rests basiert, sollte auch nicht vergessen werden!

     

    Aber die Karten werden ja ständig neu gemischt und ich bin sicher, dass sich auch in unserem "schönen" Deutschland einiges ändern wird und der eine oder andere ziemlich bald, ziemlich blöd aus der Wäsche gucken wird! Vielleicht kappieren wir ja dann, dass auch die "bösen, gewalttätigen, raubenden, schmarotzenden...." Roma hausgemachte Probleme sind!?!

  • V
    vantast

    Es wäre wirklich besser, die Regierungsparteien würden nicht immer wieder auf's neue über Menschenrechte reden, sondern sagen, daß die ihnen wurscht sind und es nur um Machterhalt geht. Wir wissen doch, daß besonders die Parteien mit dem "c" vornweg, besonders menschenfeindlich sind. Weiß man nicht mehr, was die Nazis den Roma und anderen Minderheiten angetan haben?

  • B
    bluegiutine

    Der Wohlstand der Bundesrepublick deutschland baut haubsächlich auf den Verbrechen der kolonialen vergangenheit auf .

    Also her mit dem Bimbes .

    10% der Deutschen besitzen 90% des Volksvermögens .

  • J
    jeno

    air berlin - your airline. die passende werbung zum artikel gleich im hintergrund...

  • T
    Thomas

    Wieso nur ein Drittel?

  • WR
    Weiße Rose

    Das unerträgliche Christengesülze der Partei mit dem großen "C" im Namen, rund um die nette Tante Angela und den guten Onkel Christian - gerade jetzt zum großen Fest für die Kinder - lässt Weihnachten zum bigotten Gelage der satten Heuchler verkommen!

  • T
    tommy

    Ich bin zwar eigentlich für eine restriktive Haltung bei Einwanderung und Asyl, aber in diesem Fall sollte sich Deutschland wohl "großzügig" zeigen und keine Roma mehr in den Kosovo abschieben und ihnen eine dauerhafte Perspektive in Deutschland eröffnen (zumindest solange keine gewichtigen Gegenargumente wie schwere Kriminalität vorliegen); schließlich trägt auch Deutschland durch seine Mitwirkung am Kosovo-Krieg Verantwortung dafür, dass im Kosovo ein Banditensystem an der Macht ist, das nicht-albanische Minderheiten nicht schützt. Zudem liegt der Kosovo immerhin in unserem Erdteil, so dass wir ohnehin eine gewisse Verantwortung haben.

    Sollte aber nicht bedeuten, dass man auch massenweise "Flüchtlinge" aus anderen Weltgegenden aufnehmen muss.

  • PS
    paul sturm

    schon etwas komisch das der "balkankenner" erich rathfelder nie über solche themen schreibt?