Tatverdacht nach Stockholmer Anschlag: „Keine ernsthaften Zweifel“
Schwedens Polizei hält nach dem Lkw-Anschlag einen 39-Jährigen für dringend tatverdächtig. Es soll sich um einen abgelehnten Asylbewerber handeln.
Ein sechs Stunden nach der Tat verhafteter 39-jähriger usbekischer Staatsangehöriger gilt Polizei und Staatsanwaltschaft als dringend tatverdächtig. Man spricht von „keinen ernsthaften Zweifeln“, dass er zum Tatzeitpunkt den LKW durch die Fussgängerzone und in den Eingang des Warenhauses gesteuert habe. Am Samstag hatte Polizeichef Dan Eliasson erklärt, „nichts spricht dagegen, im Gegenteil“. Bei einer Pressekonferenz am Sonntagmittag hieß es, die Verdachtsmomente hätten sich erhärtet. Ausserdem gehe man aufgrund der Tatumstände von einem terroristischen Motiv aus.
Laut Polizeiangaben war der Usbeke 2014 nicht als Asylsuchender nach Schweden gekommen, sondern hatte eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis beantragt. Die sei im Sommer 2016 abgelehnt worden, im Dezember sei er unter Fristsetzung zur Ausreise aufgefordert worden. Weil er stattdessen untertauchte, sei er seit Februar 2017 wegen illegalen Aufenthalts zur Fahndung ausgeschrieben gewesen.
Der schwedische Verfassungsschutz SÄPO teilte ergänzend mit, man sei Mitte 2016 im „Rahmen von Ermittlungen“ auf den Mann aufmerksam geworden. Diese Verdachtsmomente hätten allerdings „nicht Verbindungen zum Extremistenumfeld“ gegolten und sich auch nicht bestätigt. Es ist bekannt, dass SÄPO im letzten Jahr wegen des Verdachts von Betrügereien mit Steuergeldern und möglicher Terrorfinanzierung durch Scheinfirmen auch im Umfeld usbekischer Migranten ermittelt hatte.
Syptathien für extremistische Organisationen?
Laut unbestätigten Medieninformationen hatte der Verdächtige in einem Stockholmer Vorort gewohnt und war mit Bau- und Abbrucharbeiten beschäftigt gewesen. Ein Bauunternehmen bestätigte gegenüber der Zeitung Göteborgs-Posten, es habe ihn im Herbst 2016 zur Asbestsanierung eines Wohnhauses angestellt. Ein „ruhiger, unauffälliger Typ“ sei er gewesen. Ähnlich wird er von anderen Personen beschrieben, die ihn kennengelernt haben: Ein Familienvater, der mit dem in Schweden verdienten Geld Frau und Kinder in Usbekistan unterstützt habe.
Die Polizei spricht vom „Verdacht von Sympathien für extremistische Organisationen“. Dabei nimmt sie offenbar auch Bezug auf seinen mittlerweile gelöschten Facebook-Account. Auf dem befanden sich zwei IS-Propagandavideos und ein Foto, das Opfer des Anschlags auf den Boston-Marathon 2013 zeigte und mit „gefällt mir“ markiert war. Was eine wegen des Verdachts möglicher Tatbeteiligung am Sonntagmorgen festgenommenen weitere Person angeht, verweigerte die Polizei unter Hinweis auf die laufenden Ermittlungen zunächst jegliche Auskunft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren