"Tatort" mit Bergwestern-Finale: So jung und schon so blöd
Im Ösi-"Tatort: Baum der Erlösung" muss Moritz Eisner den Mord an einer jungen Türkin und ihrem deutschen Freund aufklären und gerät mitten in einen Tiroler Moscheestreit (So., 20.15 Uhr, ARD).
Die Provinz ist auch nicht mehr das, was sie mal war. Diese Erfahrung macht jedenfalls Ermittler Moritz Eisner (Harald Krassnitzer), der regelmäßig vom österreichischen Innenministerium in entlegene Regionen entsandt wird. Für den normalen Piefke klingt das dort gepflegte volkstümliche Idiom zwar untertitelungswürdig wie eh und je - längst aber herrschen auch in den hintersten Ecken des Alpenlandes die Konflikte einer globalisierten Welt.
Anders als in den urbanen Ballungszentren mit ihren komplexen sozialen Gemengelagen treten sie hier gar in überschaubarer Zuspitzung auf. Das macht die besseren unter den ORF-"Tatorten" zu exemplarischen Gesellschaftsbildern, ohne allzu konstruiert anzumuten.
So auch in dieser Episode, die vor dem Hintergrund eines realen Moscheenstreits eine Art Miniaturversion vom Krieg der Kulturen entfacht. Denn türkischstämmige Gemeindebewohner haben im Tiroler Telfs ein Minarett bauen lassen, gegen das die nichttürkischen Nachbarn mit brachialen Antipathiebekundungen vorgehen. Der Ermittler aus Wien erscheint nun vor Ort, weil er den Mord an einer jungen Türkin und ihrem deutschen Freund aufklären muss.
Regisseur Harald Sicheritz und Autor Felix Mitterer ("Die Piefke-Saga") schenken den interkulturellen Streithähnen nichts. Wie abgezählt teilen sie sowohl in Richtung der radikal folkloristischen Tiroler aus als auch in die der fundamental muslimischen Migranten. Hier agiert man an der Schwelle zum Rechtsradikalismus, dort geht man mit Zwangsheiraten gegen aufsässige Töchter vor.
Beinahe ist man genervt von so viel paritätisch abgewogener Schelte - doch dann erkennt man eine kluge Erzählrichtung: Interessanterweise fallen nämlich ausgerechnet die jungen, gemeinsam sozialisierten Menschen in besonders radikale Haltungen. Ein bisschen erinnert das an Wildwesttragödien, in denen die alten Rinderbarone längst nicht jene Brutalität aufbringen wie ihr Nachwuchs. Der Hass, der bei den Alten nur noch Gewohnheit ist, entlädt sich bei den Jungen in fatalem Fanatismus. Passenderweise kommt das Finale als atemlose Verfolgungsjagd über die Gipfel und Kämme daher: Ein Bergwestern, gleichzeitig archaisch und aktuell.
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