„Tatort“ aus dem Schwarzwald: Bio, Blut, Boden – und Ziebartschnaps
Eine ländliche Ökoidylle mischt sich mit rechtem Gedankengut. Der zweite Fall des neuen SWR-Duos ist genauso großartig wie der erste.
Es herbstet, die Ziebärtle müssen geernet werden. Kommissar Friedemann Berg denkt an die knorrigen Bäume voller kleiner Pflaumen auf dem alten Schwarzwaldhof seines Vaters und weiß nicht recht, wie: Die Erntehelfer aus Rumänien haben sich nicht gemeldet. Es drängt. „Überall werden die Höfe aufgegeben“, sagt der Feierabendlandwirt Berg, „was da an Wissen verloren geht, an Kultur!“
Berg (Hans-Jochen Wagner) ist mit seiner Kollegin Franziska Tobler (Eva Löbau) unterwegs zum Bauernhof der Böttgers, ein Kinderfreund von ihm: „Was die da machen, das ist wirklich bio“, sagt er, „alte, heimische Sorten, möglichst viel Handarbeit.“ Nun ist die schwangere Teenagertochter der Böttgers gestorben, unbehandelte Diabetes, irgendwas ist seltsam, die Ermittler sollen dem nachgehen.
In „Sonnenwende“, dem zweiten Fall des neuen SWR-Duos, der – auch wegen Löbau und Wagner – ebenso großartig ist wie der erste, nun also wieder ein Hof, wieder eine enge Familie. Doch diesmal sind es keine Städter, die sich aufs Land verabschiedet haben.
Drehbuchautor Patrick Brunken (von ihm war auch der Ludwigshafener „Tatort“-Abschied „Kopper“) und Regisseur Umut Dağ (sein „Das deutsche Kind“ lief gerade erst in der ARD) haben eine Geschichte um knorrige Schwarzwälder in Wollpullis gestrickt, die schon immer da waren: Vater, Mutter, Handvoll Kinder, Schwiegersohn in spe.
Schwarzwald-„Tatort“: „Sonnenwende“, So., 13.05., 20.15 Uhr, ARD
Bauern, die ihre Kinder Sonnhild und Mechthild nennen
Und zwar eine Story über die unheimliche Gratwanderung zwischen ländlicher Biotümelei und Blut-und-Boden-Verbundenheit. Nach dem Franken-„Tatort“ im April, der die rechtsnationale Haltung der sogenannten „Mitte der Bevölkerung“ so seltsam verdruckst zeigte, kommt diese Folge umso deutlicher daher.
Mit Bauern, die ihre Kinder Sonnhild und Mechthild nennen, kein Handy, keinen Computer haben und Sätze sagen wie: „Land und Leute gehören zusammen“ und „Es ist eine Lebensaufgabe, heimische Arten zu schützen“. Deren Hausarzt der Meinung ist, innere Konflikte lösen Diabetes aus. Und die auf einer Sonnenwendfeier ihre Tochter zu Grabe tragen. Nur bizarr, dass die Kommissare da nicht hellhörig werden, na ja.
Berg und Tobler bekommen erst Zweifel, als sie mitbekommen, dass der Staatsschutz samt V-Männern mitmischt und das tote Mädchen plante, dem engstirnigen Leben zu entfliehen.
Es ist das Ungefähre zwischen Bio und Boden, das diesen „Tatort“ so sensationell zeitgenössisch macht. Darauf einen Ziebartschnaps.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!