„Tatort“ aus Saarbrücken: Wütende und Ackermatches
Eine dritte Halbzeit mit Hooligans und eine diverse Gruppe Polizisten sorgen im „Tatort“ aus Saarbrücken für Überraschungen. Aber woher kommt die Wut?
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Ach, endlich Samstag, endlich Fußball! Ein Spiel, das die Menschen verbindet! Fankultur! So kann man das betrachten. Oder es läuft halt blutreich und zähnefliegend, wie bei dem geplanten, testosterongesteuerten Aufeinandertreffen der Hooligangruppen zum Ackermatch zur niedlich als „dritte Halbzeit“ betitelten Klopperei.
Blöderweise wird dabei Andreas Schneider (Nils Bannert) so stark verletzt, dass er im Eingang der Notaufnahme unter den Händen des Arztes Dr. Friedemann Lech (Till Butterbach) verblutet. Es zeigt sich: Der junge Mann starb nicht etwa an den Folgen der Prügelei, sondern an einem sehr gezielt platzierten Messerschnitt. Nun heißt es: Bühne frei für das vierköpfige, junge und leicht berlineske Ermittler*innenteam Leo Hölzer (Vladimir Burlakov), Adam Schürk (Daniel Sträßer), Esther Baumann (Brigitte Urhausen) und Pia Heinrich (Ines Marie Westernströer).
Leicht haben sie es nicht, denn in der Hooliganszene gilt der Grundsatz, dass mit der Polizei nicht geredet wird und eventuelle Querelen intern geklärt werden. Wie das richtige Männer halt so machen. Inmitten dieser brutalen Welt, die wenig Verletzlichkeiten zulässt, hat sich Alina Barthel (wuchtig-wütend und äußerst überzeugend gespielt von Bineta Hansen) ihre Welt geschaffen. Sie scheut die Kämpfe der Männer nicht, weiß genau, wie man austeilt und einsteckt.
Einzig wenn sie allein mit ihrer ebenfalls schon recht koderschnäuzigen Tochter Stella (Finja Leonie Meyer) ist, kommt sie zur Ruhe und lässt auch mal die sanfte Seite an sich zu. Natürlich gerät auch sie ins Visier der Kommissare Hölzer und Schürk; sie versuchen sich auf eine ebenso schnodderige Art Zugang zu Mutter und Kind zu verschaffen, scheitern dabei jedoch grandios an Stella, die ihnen sehr trocken bescheidet: „Wir mögen Bullen nicht“. Auch das ist nachvollziehbar, hilft aber auch nicht bei der Aufklärung der Frage, warum Andreas Schneider nun sterben musste.
Saarbrücken-Tatort: „Die Kälte der Erde“, Sonntag, 20.15 Uhr, ARD
Sein direkter Kontrahent Remy Pontier (Tamer Tahan) gerät ins Fadenkreuz der Ermittler – er verlor bei einem der letzten Kämpfe ein Auge durch Andreas. Zudem hortet er in seinem WG-Zimmer eine stattliche Sammlung von Schlagstöcken und anderen wenig zimperlichen Utensilien.
Für Hölzer und Schürk bedeutet nicht nur der zähe Fall eine Herausforderung ihrer Zusammenarbeit, sondern auch eine Geschichte aus Schürks Vergangenheit stellt die beiden auf eine harte Probe, denn Schürk versteckt in seiner Wohnung Millionen Euro, die sein Vater bei einem Banküberfall erbeutet hat. Dies weckt natürlich Begehrlichkeiten bei weiteren halbseidenen Gestalten und ist nicht unbedingt eine passende Teambuilding-Maßnahme.
Trotz der recht patriarchalen Strukturen der hier gezeigten Hooliganszene wirkt dieser „Tatort“ modern und kann auch mit seinem diversen Cast überzeugen. Ein paar weiterführende Erklärungen über die Verbindungen einzelner Personen wäre sicherlich von Vorteil gewesen; auch eine Vorgeschichte hätte ein paar Verhaltensmuster gut erklären können. Wo kommt beispielsweise die Wut von Alina her? Es bleibt im Dunkeln.
Besser ausgeleuchtet sind da die Drehorte: Die Weltkulturerbestätte Völklinger Hütte sowie die Grube Göttelborn wurden hier sehr eindrucksvoll in Szene gesetzt und runden das teils recht martialische Gesamtbild gelungen ab.
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