piwik no script img

„Tatort“ aus LuzernKein Orden für Originalität

„Spring!“, flüstert eine Stimme und ein Mann springt von einer Autobahnbrücke. Die Zuschauer wissen mehr als die Kommissare: Das war kein Suizid.

Brauchen eine ganze Weile für den Fall: die Luzerner Tatort-Kommissare Foto: ARD/Degeto/SRF/Daniel Winkler

Vor ungefähr zehn Jahren – ja, so lange ist das schon her! – war das „Tatort“-Gucken sonntagabends in der Kneipe total angesagt. Jetzt gucken längst alle ihre Serien auf den diversen Streamingdiensten (die Autorin dieser Zeilen zittert gerade dem Staffelfinale von „Game of Thrones“ entgegen). Aber trotzdem gucken einen durchschnittlichen „Tatort“ ungefähr doppelt so viele Menschen wie die „Tagesschau“.

Der neue Fall für das Schweizer Ermittlerduo Reto Flückiger (Stefan Gubser) und Liz Rit­schard (Delia Mayer) hat tatsächlich viele Zuschauer verdient. Auch wenn der eigentliche Kriminalfall erst einmal keinen Orden für Originalität verdient: Ein Mann springt von der Autobahnbrücke direktemang vor einen Fernbus. Suizid? Nein, der Zuschauer weiß es von Anfang an besser als die Kommissare: „Spring!“, flüstert eine Stimme dem vermeintlichen Selbstmörder ins Ohr.

Bleiben noch zwei Fragen: Wer war der Tote und wem gehörte die Stimme? Das erarbeitet sich der Zuschauer nun systematisch gemeinsam mit den Kommissaren, wobei der Kreis der Verdächtigen nicht so wahnsinnig groß ist und man sich schnell denken kann, wem da von der Brücke geholfen wurde (die Kommissare brauchen dafür noch eine allzu lange Weile). Weil die Motivation hinter dem Mord am Ende doch recht überraschend daherkommt, geht der Fall aber in Ordnung.

Was aber richtig gut gelungen ist: wie eine vermeintliche Randfigur, nämlich der schwer traumatisierte Fernbusfahrer, zur Hauptfigur wird. Die Frage, was das eigentlich mit einem Menschen macht, wenn er ungewollt in einen (angeblichen) Suizid hineingezogen wird, das wird hier mit Michael Neuenschwander alias Busfahrer Benni Gisler eindrücklich erzählt. Eigentlich nähert sich ein Krimi meist dem Täter an – hier kommt man einem Opfer immer näher. Spannend.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • ...öde und langweilig inszeniert - einziger Lichtblick, der Bussfahrer und sein Darsteller - Chapeau.