„Tatort“ aus Köln: In alle Richtungen ermitteln
Manchmal ist es nicht so einfach mit dem Täter-Opfer-Schema. Vor allem dann nicht, wenn Polizisten zum Kreis der Verdächtigen gehören.
Das Kölner „Tatort“-Team ist eines der dienstältesten, seit 1997 ermitteln Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk, (Dietmar Bär). Nur die Teams in Ludwigshafen und München sind schon länger auf Sendung. Und es ist schön, dass man das jetzt hier mal feststellen kann: Der Köln-“Tatort“ ist überhaupt nicht so bräsig, so bundesdeutsche Sonntagabendsgemütlichkeit nach dem „Tagesschau“-Gong ausstrahlende Behäbigkeit, wie er vielleicht sein könnte.
Wenn die Dinge einfach scheinen, hat man eben meistens irgendetwas übersehen. Diese Erkenntnis könnte auch einigen Beteiligten im aktuellen Kölner Fall „Kaputt“ dämmern: Ein einfacher Polizeibeamter wird bei einem Routineeinsatz (nächtliche Ruhestörung) brutal ermordet. Die heftig narkotisierten Jugendlichen prügeln den Polizisten einfach tot, seine Kollegin (Anna Brüggemann) liegt k.o. geschlagen vor der Terrassentür und kann ihm nicht zu Hilfe eilen.
Der Fall scheint eindeutig: Hier der gute Beamte, da die bösen Jungs (und ein Mädel, übrigens) – die in der Vergangenheit auch schon fleißig Hasspostings gegen die Polizei im Social Netz geteilt haben, wie die beiden Kommissare bald herausfinden.
Leider muss sich der Schnauzbart des ansonsten glatzköpfigen Rechtsmediziners Roth (Joe Bausch, übrigens auch seit 1997 dabei) schon bald über die nächste Leiche beugen. Dieses Mal hat es einen aus dem Tätertrio vom Vorabend getroffen, glatter Kopfschuss.
Unwillige Trauernde
Ballauf und Schenk ermitteln daraufhin „in alle Richtungen“ – also auch in den eigenen Reihen. Die KollegInnen auf dem Abschnitt des ermordeten Polizisten sind davon allerdings wenig begeistert: Schließlich sind sie hier ja wohl die Opfer, die Trauernden, die vor Schichtbeginn eine Kerze vor dem Porträt des verstorbenen in der Wache anzünden und ein paar Euro in die Spendenbüchse für die Trauerfeier klappern lassen. Und auch Jütte (Roland Riebeling), quasi Vorzimmerdame und Assistent der beiden Kommissare, arbeitet nur unter deutlichem Gemaule „in alle Richtungen“. Wer denn hier wohl Täter und wer Opfer sei?!, will Jütte wissen.
Tja, das ist die Frage. Neulich wurde die Autorin an dieser Stelle von einem aufmerksamen Leser ermahnt, man dürfe gerade bei Krimi-Rezensionen auf gar keinen Fall spoilern. Das nimmt sich die Autorin zu Herzen und will deshalb an dieser Stelle auch nicht mit einem Sterbenswörtchen verraten, wie die ganze Kiste endet.
Nur soviel: Die Kölner (Regie: Christine Hartmann) machen es sich mit einer Antwort nicht leicht. Und geistige Beweglichkeit in fortgeschrittenem Tatort-“Alter“ sollte man keinesfalls als gegeben voraussetzen.
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