„Tatort“ aus Dortmund: Jung, frech und überzogen
„Ihr Team kann was“, sagt der Staatsanwalt in der ARD-„Tatort“-Folge „Hydra“ zu Hauptkommissar Faber. Diese Meinung hat er exklusiv.
Mit ausgestellter Jugendlichkeit im „Tatort“ ist das ja so eine Sache. Treten die frisch rekrutierten Nachwuchsermittler forsch auf, denkt sich der Zuschauer: „Ja ja, kein Arsch in der Hose, aber ’La Paloma‘ pfeifen.“ Sind die jungen Kommissarinnen und Kommissare hingegen unbedarft, denkt sich der Zuschauer: „Wenn ich Praktikanten bei der Arbeit sehen will, kann ich auch einfach mal wieder ins Büro gehen.“
Der Dortmunder „Tatort“ bewegt sich in „Hydra“ zwischen diesen Welten. Der aktuelle Fall: Kai Fischer wird tot aufgefunden. Er war der Anführer einer Dortmunder Neonazigruppe. Natürlich sind schnell die anderen Braunbären in Verdacht. Zum Beispiel Nils Jacob, der in seiner WG abgepasst wird. Der treue Deutsche studiert Germanistik. Was sonst?
Auftritt der dynamischen Detektivin Nora Dalay (A. Tezel): „Was ist denn mit den Büchern, die im Dritten Reich verbrannt wurden? Lesen Sie die oder weigern Sie sich?“ Der Verdächtige geht drüber hinweg und erzählt, dass Fischer und er sich am Mordabend ausgetauscht hätten. Kommissarin Dalay: „Worüber? Wie man Ausländer totprügelt?“ Er: „Nein, wir sprachen über den Zustand unserer Stadt.“ Dalay: „Also: Baseballschläger raus und aufräumen!?“ Gegen so viel Eindimensionalität wirkt selbst der dümmste Neonazi wie ein Philosoph.
Und während Dalay die Braunen auf’m Kieker hat, verdächtigt Kollege Kossik (S. Konarske) eine Israelin, deren Mann von rechten Schlägern totgeprügelt wurde. „Aber als Jude, da hat man hierzulande so etwas wie einen diplomatischen Status“, referiert er wie ein Junge, der mal testen will, wie Mama und Papa auf solche Provokationen reagieren.
Dortmund-„Tatort“: „Hydra“; So., 20.15 Uhr, ARD
Immerhin funktioniert die Figur Peter Faber (Jörg Hartmann) in seiner zynisch-arroganten Art. Der Staatsanwalt, der Faber anfaucht, dürfte ziemlich allein mit seiner Meinung dastehen: „Ich mag Sie nicht, aber Ihr Team kann was.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin