"Tatort"-Kommissar über sein neues Leben: "Mit dem Fernsehen bin ich durch"
Als Saarland-"Tatort"-Kommissar wurde Gregor Weber unehrenhaft entlassen. Heute läuft sein letzter Film. Danach wird er Bücher schreiben. Oder kochen.
sonntaz: Herr Weber, wissen Sie schon, was Sie Sonntag um 20.15 Uhr machen?
Gregor Weber: Na, endlich mal den "Tatort" anschauen, es interessiert mich schon, wie der Film geworden ist.
Sie haben "Verschleppt", Ihren letzten "Tatort", noch nicht gesehen?
Nein, dieses Mal haben Maxi und ich keine DVD mehr geschickt bekommen, obwohl davon im Kündigungstelefonat noch die Rede war.
Sie und Ihr Ko-Kommissar Maximilian Brückner wurden im Oktober als "Tatort"-Duo des Saarländischen Rundfunks (SR) abgesetzt. Sie erfuhren's am Telefon?
Der Anruf kam, als ich gerade auf der Autobahn unterwegs war. Der betreuende Redakteur sagte nur: Es werde kein angenehmes Gespräch, der Saarländische Rundfunk habe beschlossen, die beiden "Tatort"-Kommissare in Rente zu schicken.
Sie waren überrascht? Dabei wurde doch schon vor einem Jahr mit der Suche nach Nachfolgern begonnen.
Ich hatte davon keine Ahnung. Der SR wollte, dass alle denken, man habe sich in gegenseitigem Einvernehmen getrennt – das war natürlich lächerlich. Es heißt immer: Wenn einem gekündigt wird, sieht man wie ein Verlierer aus, da ist man sich einig in der Branche. Aber der Meinung waren Maxi und ich nicht, weder die Quote noch unsere Leistung oder die Kritiken standen schlecht für uns.
Diesen Text finden Sie zusammen mit vielen weiteren spannenden Artikeln und Interviews in der aktuellen sonntaz vom 21./22. Januar 2012. Am Kiosk, eKiosk oder im Wochenendabo. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz.
Deininger und Kappl ermittelten seit 2006 als Team, kurz darauf übernahm mit Christian Bauer ein neuer Redakteur den SR-"Tatort". Was ist passiert?
Wir sind unter anderen Voraussetzungen in diese Zusammenarbeit gegangen. Von einer offenen Gesprächskultur war die Rede, man wollte auf Augenhöhe miteinander agieren, ein kleines Kernteam bilden, das sich an einem Thema abarbeitet. Aber de facto war es eine Abnickrunde. Kunst ist eben Diktatur. Christian Bauer hat an seine Vorstellung geglaubt und das ohne Diskussion durchgezogen.
So ein Einfluss von Schauspielern auf die Drehbücher ist doch sowieso eher die Ausnahme.
Das stimmt schon. Bevor Bauer kam, saßen wir überhaupt nicht mit am Tisch, sondern erschienen zum Dreh und bekamen die Stoffe übergezogen.
Schauspieler: Der heute 43-Jährige wurde bekannt als Sohn Stefan in der Fernsehserie "Familie Heinz Becker". Seit 2001 ermittelt er am "Tatort" in seiner Heimatstadt Saarbrücken.
Koch: Mit der 2006 abgeschlossenen Ausbildung im Berliner Sternerestaurant VAU reagierte der Familienvater Weber auf eine Flaute bei seinen Rollenangeboten.
Autor: 2009 veröffentlichte er "Kochen ist Krieg! Am Herd mit deutschen Profiköchen", 2011 "Feindberührung"; der nächste Krimi soll im Herbst erscheinen.
Inwiefern spiegelt sich in Ihrem Wunsch, mitzureden, ein verändertes Selbstverständnis von Schauspielern?
Es ist eine Machtfrage. Prominente Schauspieler können theoretisch alles verlangen, auch wenn sie keine Ahnung haben. Aber es ist nicht grundsätzlich sinnvoll, dass Schauspieler mitreden. Ich maße mir aber an, zu wissen, wovon ich rede, weil ich selbst Bücher schreibe. Und was die Autoren ablieferten, war meiner Meinung nach oft einfach handwerklich schlecht. Und da diskutierte ich dann eben so lange, bis der Plot etwas taugte. Ich vermute, Bauer hatte irgendwann keine Lust mehr auf diese Auseinandersetzungen.
Aber Sie konnten sich doch auch mit Vorschlägen durchsetzen. "Heimatfront" (2011) etwa inszenierte ein Freund von Ihnen, der Oscargewinner Jochen Alexander Freydank.
Ja, stimmt, ich habe ihn empfohlen. Aber mir ging es doch nie darum, irgendwelche Autoren oder Regisseure durchzudrücken. Ich kenne ja sowieso kaum jemanden. Es war einfach mein letzter Versuch, einen Zipfel von dem zu erwischen, was in dieser Branche möglich ist: nach den Sternen zu greifen, immer darum zu ringen, großartige Geschichten zu erzählen. Doch nach dem vorletzten Film war Maxi und mir klar, dass wir uns für den nächsten "Tatort" nicht mehr so aufreiben. Ich habe da resigniert, mich innerlich verabschiedet. Die letzten Jahre waren ernüchternd.
Ein Ziel des Redakteurs war es, die beiden Hauptfiguren schärfer zu profilieren, Deininger rüpeliger zu zeigen. In der letzten Folge sieht man einiges davon.
Ja, in "Verschleppt" schreit und weint Deininger, Kappl schlägt sogar zu – nur: Das steht alles nicht im Drehbuch, das haben wir improvisiert. Aber es war für die Figuren wichtig. Ein deutscher Polizist, der einen Verdächtigen schlägt, da zuckt mancher schon zusammen. Das Spannende ist ja: Polizisten sind das personifizierte Gewaltmonopol des Staates, die haben einen Gummiknüppel und Schusswaffen, dürfen in manchen Situationen legal töten.
Sie erwähnten es: Sie schreiben selbst. Im Sommer erschien Ihr erster Krimi, "Feindberührung". Welche Eigenschaften waren Ihnen für Ihren Romankommissar Grewe wichtig?
Er sollte vor allem glücklich sein, damit die Fallhöhe größer ist. Ich wollte keinen, der seinen Kummer abarbeitet, sondern einen, der von seiner Arbeit erschüttert wird. Wenn Grewe trinkt, ist das ein Ereignis, keine Normalität.
Sie waren ein Jahrzehnt "Tatort"-Kommissar und schreiben dann über Polizeiarbeit. Kennen Sie sich so gut damit aus?
Ich bin mit einigen Polizisten befreundet, die beim "Tatort" beraten, etwa einem Spurensicherungsspezialisten vom LKA. Es hilft natürlich, wenn man jemandem Detailfragen stellen kann. Aber anders als beim Fernsehen versuche ich, nichts zu vereinfachen, sondern die Ermittlungsarbeit und ihre Logik zu zeigen, wie sie wirklich ist.
"Feindberührung" handelt von Bundeswehrrückkehrern aus Afghanistan, der "Tatort: Heimatfront" auch. Zufall?
Nein, die Grundidee von "Heimatfront" waren Snipermorde. Der Teil mit den Afghanistanheimkehrern war meine Idee. Einer der Bundeswehrstützpunkte mit einer Luftlandebrigade ist im Saarland, das bot sich an. Meine Recherchen für den Krimi flossen dann ins Drehbuch ein.
Was fasziniert Sie so an dem Thema?
Ich gehöre noch zu der Generation, die während des Kalten Krieges Wehrdienst geleistet ist. Der Krieg in Afghanistan hat alles verändert, die Bundeswehr wurde zur Einsatzarmee. Mich interessiert, was passiert, wenn eine Generation junger Männer nach diesen Kriegserlebnissen in die deutsche Gesellschaft zurückkehrt. Darüber wollte ich eigentlich ein Sachbuch schreiben.
Aber?
Der damalige Verlag meinte, verkaufen würde sich da nur ein Sachbuch von einem Journalisten, nicht von einem Schauspieler. Und einen Krimi wollte ich sowieso schon immer schreiben. Ich habe mit 14 angefangen, alle Sherlock-Holmes- und Miss-Marple-Bände zu lesen. Das Genre ist toll, man kann damit alles erzählen. Außerdem kommt es mir als Autor entgegen.
Inwiefern?
Bei einem Krimi muss ich einen Plot entwickeln. Das hilft mir. Sonst würde ich am Ende wie Michael Douglas' Figur in dem Film "Wonderboys" mit 5.000 Seiten Manuskript dasitzen und der Verlag würde mich aus dem Vorschaukatalog streichen, weil das Buch nicht fertig wird. Meine Frau ist auch Autorin, sie ist da disziplinierter. Gerade sitze ich am zweiten Grewe-Krimi, es geht um Polizistenmord.
Was werden Sie am "Tatort" vermissen?
Finanziell ist es natürlich unschön, das Spielen wird mir aber nur begrenzt fehlen. Ich habe mich ja schon vor gut sechs Jahren davon verabschiedet; diesen Prozess habe ich hinter mir, seit ich die Kochlehre gemacht habe.
Damit wollten Sie Ihrer Familie Sicherheit verschaffen, als nach dem Umzug nach Berlin die erhofften Rollenangebote ausblieben. Umso mehr Aufmerksamkeit brachte Ihnen nun das Ende Ihres "Tatort"-Duos ein. Wie überrascht waren Sie von dem Ausmaß des Medieninteresses?
Man sollte sich in der eigenen Bedeutung nicht vertun, wir sind ja nicht wichtig für den Fortbestand der Bundesrepublik Deutschland oder so. Aber diese Anerkennung war schon schön für uns. Wir wollten, dass die Kündigung so schnell wie möglich öffentlich wird, alles andere wäre für uns schlicht geschäftsschädigend gewesen. Wer eine feste Rolle beim "Tatort" hat, kommt für eine Reihe anderer Figuren nicht infrage. Gerade weil man oft gerne immer wieder als Bulle besetzt wird, wenn man einmal einen gespielt hat. Aber parallel zum "Tatort" geht das natürlich nicht.
Und hat schon jemand angerufen?
Nein, ich bemühe mich aber auch nicht, einen Agenten habe ich schon lange nicht mehr. Das Thema ist für mich abgeschlossen. Es ist auch nicht gerade zuträglich, eine querulantische Aura zu haben in einer Branche, in der immer alle happy sind. Aber vor allem kann der Schreibprozess keine Erschütterungen vertragen – zu Castings zu gehen, auf Zusagen zu hoffen, das schaffe ich nicht. Als Autor brauche ich geradezu spießige Ordnung, ich will fünf Seiten am Tag schreiben. Und ich bin von Beruf nun eben Autor. Und "Tatort"-Kommissar a. D.
Saarland-Tatort: "Verschleppt"; Sonntag, 20.15 Uhr, ARD
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?