Taskforce Zukunft Profifußball: Suche nach dem guten Kick
Für Fans ist Fußball ein sozialer Ort, für Manager und Sponsoren ein Geschäft. Die Bundesliga ruft nun zum Dialog über die Zukunft der Branche.
Katar. Auch so ein Fall. So richtig genau weiß man es nicht, wie die Katarer am 2. Dezember 2010 den Zuschlag der Fifa-Exekutive für die Ausrichtung der WM 2022 bekommen haben, aber es gibt wohl kaum einen, der normal findet, dass das Turnier in diesem Kleinstaat stattfinden wird.
Viel ist berichtet worden über das Sklavenhalterregime, das sich von entrechteten Arbeitsmigranten eine Megaarena nach der anderen errichten lässt, und doch wird das Gasgeld immer wichtiger für den Weltfußball. Champions-League-Sieger 2020 durfte sich Katar schon nennen, bevor das Finale angepfiffen war. Die von Katar gesponserten Bayern spielten da gegen den anderen Katar-Klub Paris Saint-Germain (PSG).
Genau, PSG. Da spielt ein gewisser Neymar da Silva Santos Júnior. Bis 2017 hat der Brasilianer beim FC Barcelona gespielt. In seinem Vertrag war eine Ablösesumme von 222 Millionen Euro festgeschrieben. Neymar hat sich selbst aus dem Vertrag herausgekauft. Das Geld dafür kam aus Katar. Wie ein Heiliger wurde Neymar in Paris empfangen. Der Eiffelturm wurde in den brasilianischen Farben angestrahlt. Der Transfer ist zum Symbol für die Maßlosigkeit des Geschäfts geworden.
Liebe für Millionen
Maßlosigkeit wird auch David Alaba vorgeworfen. Der defensive Allrounder verhandelt gerade über einen neuen Vertrag bei den Bayern. 20 Millionen Euro Jahresgehalt soll er verlangen. Union Berlin hat in der vergangenen Saison an alle Spieler zusammen 26 Millionen Euro ausgezahlt. Dass so ein Klub Liebe erfährt, wenn er aufsteigt, gehört zu den schönen Geschichten des modernen Profifußballs, auch wenn alle wissen, dass an der Alten Försterei niemals eine deutsche Meisterschaft gefeiert werden kann. Meister wird sowieso nur der FC Bayern München. Ein echter Wettbewerb um den Titel findet nicht mehr statt.
Noch geht es in der Bundesliga ums Dabeisein. Dafür ruinieren sich Zweit- und Drittligisten, die ihren Platz weiter oben in der Fußballhierarchie wähnen. Und wer oben ist und glaubt, sein guter Name verpflichtet ihn, auch mal an den europäischen Wettbewerben teilnehmen zu müssen, der hangelt sich nicht selten an einer Insolvenz entlang. Welche Blase der Fußball ist, das hat die Coronapandemie gezeigt.
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Der Kampf um die Wiederaufnahme des Spielbetriebs im Frühjahr, zu einer Zeit, in der noch Kontaktbeschränkungen galten, war für viele Klubs der Kampf ums schiere Überleben. 13 Klubs aus den ersten beiden Bundesligen wären wohl pleitegegangen, wenn die letzte Rate aus den Rechtepaketen mit den übertragenden Fernsehsendern nicht überwiesen worden wäre. Die Bundesliga, die jedes Jahr neue Umsatzrekorde vermeldet hat, musste feststellen, dass ihr Geschäftsmodell alles andere als nachhaltig ist.
Beginn eines Dialogs
Es ist etwas faul am Fußball dieser Tage, so faul, dass man nachdenklich zu werden beginnt in der Bundesliga. „Zukunft Profifußball“ heißt eine Task Force, die von der Deutschen Fußballliga ins Leben gerufen worden ist. Vertreter der Deutschen Fußball-Bunds, der Klubs, der Sponsoren sollen dort zusammen mit Fanvertreter:innen diskutieren, wie man geraderücken kann, was da offensichtlich in Schieflage geraten ist. Drei Termine gibt es für die Treffen. Ob dann schon wieder alles gut ist?
Helen Breit, die für den Verein Unsere Kurve, in der sich Fanvereinigungen etlicher Profiklubs vernetzen, in die Task Force eingeladen wurde, hat da so ihre Zweifel. In der Task Force werden Ansichten und Einsichten mitgeteilt. Möglichkeiten, echte Konflikte auszutragen, seien in dem Format so gut wie nicht möglich, sagt sie. Eines hat sie immerhin schon vorher gelernt. „Wir sind jetzt Stakeholder“, sagt sie, die beim SC Freiburg fußballerisch sozialisiert wurde. Mit diesem Wort werden nun also auch die Fans bedacht. Auch wenn man ihnen also zugesteht, berechtigte Interessen am Fortbestand des Fußball zu haben, zeigt die Wortwahl, dass für die Liga ein Business ist, was für die Fans ein Kulturgut darstellt.
Dass das Kulturgut Fußball von großer gesellschaftlicher Bedeutung ist, davon gehen die organisierten Fanvertreter:innen aus. Die wegen der Coronapandemie von den Spielen ausgeschlossenen Fans haben den Sommer des Geisterfußballs genutzt, um ihre Anliegen zu formulieren. Eine Erklärung mit dem Titel „Unser Fußball“ haben über 2.600 Fanklubs und fast 14.000 einzelne Fans unterzeichnet.
Helen Breit, Fanaktivistin
Im August überreichten die Initiator:innen die Unterschriften dem DFB. Der kann seitdem die Forderungen nach wirtschaftlicher Nachhaltigkeit, einem fairen und offenen Wettbewerb, nach gesellschaftlicher Verantwortung im Kampf für Vielfalt und Menschenrechte und einen demokratischen Fußball studieren.
In einem basisdemokratischen Prozess sind die Erwartungen an den Fußball von morgen mittlerweile formuliert worden. Da geht es um die gerechtere Verteilung der Fernsehgelder, um die Demokratisierung von Entscheidungsprozessen im Fußball oder um die Rolle des Fußballs bei der Ausbildung einer offenen Gesellschaft. Die Fanvertreter:innen sind also bestens vorbereitet in die erste Runde der Task Force am vergangenen Dienstag gegangen.
Fans als soziales Gewissen des Fußballs
Warum sie auch immer das Große und Ganze in der Gesellschaft mitdenken, ist für Helen Breit ganz einfach zu erklären. „Weil wir Fans sind“, sagt sie. „Wir haben ja kein wirtschaftliches Interesse am Fußball. Wir sind auch keine Profis. Wir sind diejenigen, die Fußball als etwas Soziales erleben.“
Weil der Fußball für die Fans vor allem mit dem Stadionerlebnis verbunden sei, vom zwischenmenschlichen Kontakt lebe, sei es nur logisch, dass ebendiese Fans immer auch an den gesellschaftlichen Zusammenhalt denken, wenn sie sich um die Zukunft des Sports sorgen. Schon lange sind es Fanvertreter:innen, die den organisierten Fußball regelrecht vor sich hertreiben. Der Kampf gegen Rassismus im Stadion oder gegen Homophobie ist von engagierten Anhänger:innen in die Stadien getragen worden.
„Fußball soll inklusiv bleiben“, meint Helen Breit und erinnert an die Aktion „Kein Zwanni“, mit der die Fanaktivist:innen auf überteuerte Stehplatzkarten aufmerksam gemacht haben, die das Stadionerlebnis zu einem exklusiven Privileg werden ließen.
In der Task Force treffen die engagierten Stadionbesucher:innen nun etwa auf Oliver Bierhoff, den Manager der Nationalmannschaft, der mit der Vermarktung dessen, was der „die Mannschaft“ genannt hat, zur Symbolfigur der Entfremdung des Fußballbusiness von den Fans geworden ist. Sie treffen aber auch auf diejenigen, die mit immer höher werdenden Sponsorengeldern dazu beigetragen haben, dass immer mehr Geld in die großen Mannschaften gepumpt wird.
Imagepflege durch die Sponsoren
S20 nennt sich eine Interessenvertretung von Großsponsoren wie der Telekom, SAP oder Coca-Cola, die sich nun auch Gedanken über die Zukunft der Bundesliga machen. Die haben im vergangenen Jahr einen „Trendradar“ für 2020 entwickelt, in dem für so manchen Fan gruselige Dinge stehen. Ein Trend ist natürlich die Digitalisierung. „Face Recognition“ ist so ein Schlagwort. Gesichtserkennung kann „einen schnelleren, kontaktlosen Einlass ermöglichen und so lange Wartezeiten an Eingängen drastisch verkürzen. Auch Zufriedenheits-, Stimmungs- und Emotionsmessungen von Zuschauern können einfach während der Veranstaltung durchgeführt werden“, heißt es in der Studie.
Doch auch die Sponsoren haben die Zukunft der Gesellschaft im Blick. Neben „Influencer Marketing“ oder Strategien für die junge Social-Media-Plattform Tiktok ist auch „Sustainability“ für die Sponsoren ein ganz großes Ding. „Nicht zuletzt auf Wunsch der Fans berücksichtigen viele Klubs, Veranstalter und Sponsoren Nachhaltigkeitsaspekte immer stärker bei der Planung ihrer Aktivitäten.“ Und so laufen Teams in Trikots aus recyceltem Plastikmüll aus den Meeren auf, und die Fans trinken ihr Bier aus Mehrwegbechern. Helen Breit weiß, dass es da oft mehr um Imagepflege als um echtes Engagement geht.
Aber selbst wenn Vereine nachhaltiges Wirtschaften nur deshalb installieren würden, um eine bestimmte Fangruppe nicht zu verlieren, dann sei der Sache schon gedient, auch wenn es vielleicht nicht aus innerster Überzeugung gemacht werde, meint sie. Und was die Besetzung von Leitungspositionen angehe, seien Konzerne wie die Telekom viel weiter als die Fußballverbände und -klubs. Vielleicht gelingt es den Fans ja, zusammen mit den Sponsoren, zumindest in dieser Hinsicht den organisierten Fußball zu einer diversen Zukunft zu drängen. Der zeigt sich zumindest gesprächsbereit. Ob’s was bringt? „Es ist eine historische Chance“, sagt Helen Breit jedenfalls. „Ich hoffe sehr, dass wir in zehn Jahren zurückschauen und sagen, da wurden die Weichen gestellt.“
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