Tarifverhandlungen: Frosta noch nicht aufgetaut
Das Vorzeige-Unternehmen der Tiefkühlbranche macht ein Angebot - von dem sich die Arbeitnehmerseite "wie vor den Kopf gestoßen" fühlt. Dabei setzt die Firma ansonsten voll auf ihr positives Image .
Auch beim Marktführer sind Tarifverhandlungen kein Selbstgänger: Der Frosta-Vorstand hat eine schrittweise Erhöhung um 2,6 Prozent plus eine Einmalzahlung von 100 Euro angeboten, gestreckt auf zwei Jahre. Die Forderung der Nahrungs-Gewerkschaft NGG lag bei fünf Prozent - auf ein Jahr.
Die Kennzahlen der Frosta AG sind hervorragend, der Marktanteil bei Tiefkühl-Fertiggerichten hat im April erstmals seit sieben Jahren wieder die 30-Prozent-Hürde genommen, und 17,4 Millionen Euro Jahres-Gewinn vor Steuern ist kaum weniger als 2008. Die Krise hat die gesamte Branche laut Deutschem Tiefkühlinstitut ziemlich kalt gelassen. Aber das wird nicht so bleiben, sagt Stephan Hinrichs. "Es ist sicher", informierte der Frosta-Finanzvorstand die Aktionärsversammlung vergangene Woche, "dass sich die positive Ergebnisentwicklung der ersten sechs Monate nicht fortsetzen" wird.
Dafür gibt es Indikatoren, der starke Dollar vor allem, der verteuert die Rohstoffe. Und im Einzelhandel herrscht ein regelrechter Preiskrieg. Aber Hinrichs wäre ein schlechter Finanzvorstand, wenn er bei seiner Rede nicht auch schon die Lohnverhandlungen im Kopf gehabt hätte: Die Aktionäre haben trotzdem einer Dividende von 0,75 Euro zugestimmt, der Kurs steigt, die Branchendienste empfehlen noch immer: Kaufen! "Das Angebot", so Kettner, "hat uns fassungslos gemacht" - in ihren anderen Betrieben sind überall bessere Abschlüsse zustande gekommen, und die meisten Unternehmen sind längst nicht so gesund, wie Frosta. "Wir sind wie vor den Kopf gestoßen."
Tiefkühlkost ist laut Deutschem Tiefkühlinstitut in Köln eines der wachstumsstärksten Segmente der deutschen Ernährungswirtschaft:
Über 81 Kilo Tiefkühlkost verbraucht im Schnitt jeder deutsche Haushalt im Jahr. Die Tendenz steigt. Im ersten Halbjahr 2010 stieg der Konsum um 1,5 Prozent.
Unangefochtener Marktführer im Segment TK-Fertiggerichte ist die Frosta AG - während Konkurrenten Marktanteile abgeben.
Auch der Frosta-Aktie gehts gut: Von 11 Euro im Jahr 2005 ist ihr Kurs auf 18,35 Euro - Stand Mittwoch - gestiegen, die Dividende betrug 75 Cent.
Über 80 Prozent der Wertpapiere besitzt der Vorstand.
Das Gehaltsgefüge der rund 800 Mitarbeiter wird der letzte Tarif-Abschluss des Jahres in der Nahrungsmittel-Branche. "Im vergangenen Jahr waren wir kurz vor einem Warnstreik", so Kettner. Aber dann ist Frosta doch noch schnell aufgetaut: Eine harte Tarifauseinandersetzung - das würde nicht gut ins Bild passen.
Denn, dass ein gutes Image wichtig ist in der Lebensmittelindustrie weiß zwar jeder. Wenige aber setzen es so konsequent um, wie der Tiefkühlriese aus Bremerhaven. Wir sind die Guten - das will das Unternehmen kommunizieren, und für diese Strategie ist es erhebliche Risiken eingegangen, von denen das kleinste war, die am industriellen Widerstand gescheiterte "Lebensmittelampel" für sich einzuführen. Denn erstens deklariert Frosta sämtliche Zutaten lückenlos. Und zweitens verzichtet das Unternehmen komplett auf Zusatzstoffe. "Das sind Dinge, die sind uns wichtig", so Hinrichs. Ehrgeiziges neues Ziel: Man will den CO2-Ausstoß um 70 Prozent senken.
"In die Richtung denken mittlerweile alle unsere Unternehmen", sagt die Sprecherin des Tiefkühlinstituts: So hat man beim Freiburger Öko-Institut eine Studie über klimatische Vor- und Nachteile von Tiefkühlkost in Auftrag gegeben- nachdem eine Pilotstudie ergab, dass die Energiebilanz nicht schlechter ist, als die von Nasskonserven oder Selbstzubereitung.
Den Trend hat Frosta gesetzt: Als das Unternehmen 2003 damit begann, komplett auf Zusatzstoffe zu verzichten war das ein teurer Schritt, der Aktionäre verschreckte und die Kundschaft schockte. Die Preise stiegen nämlich um bis zu 20 Prozent, der Umsatz halbierte sich - und Der Spiegel erklärte bald darauf das Experiment für gescheitert. Frosta verstärkte das Marketing. Mindestens unterschwellig rassistisch, aber sehr erfolgreich war ein Kochduell-Video, bei dem der blasse Chef de Cuisine des Hauses ein Bami Goreng aus Naturzutaten zubereitet - und gleichzeitig mit seinem südländischen Gegenspieler Sharif telefoniert: "Du bisse ja schön blod!", ruft der aus, als er erfährt, dass Peter von Frosta sogar auf Silikon-Öle verzichtet, "das musse doch nicht male deklarieren". Aufklärerisch und richtig lustig sind dagegen die Sponsoring-Aktivitäten: Frosta mit Abstand der wichtigste Mäzen des Deutschen Zusatzstoffmuseums, das in Hamburg-Hammerbrook residiert, keine fünf Kilometer von der Zentrale des größten Konkurrenten Iglo entfernt. Der hat die von Frosta aussortierten synthetischen Ergänzungen gerade noch nicht musealisiert.
Es war bei einem Jahr Verlust geblieben, dann sind die Gewinne explodiert: Rund zehnmal so hoch, wie 2002 liegen sie jetzt. "Die Investitionen in den Klimaschutz finde ich ja gut", sagt Kettner, "aber das ist kein selbstloses Engagement" - sondern erfolgreiches Marketing. Ein Argument in der Tarifauseinandersetzung "kann das also nicht sein". Am 9. Juli trifft man sich erneut.
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