Tarifverhandlungen der Fluglotsen: Schlichtung statt Streik

Es wird erstmal keine Fluglotsenstreiks in der Urlaubszeit geben. Die Arbeitgeberseite rief die Schlichtung an - nun herrscht vier Wochen lang Friedenspflicht.

Sie fliegen doch. Zumindest für die nächsten vier Wochen. Bild: dpa

FREIBURG taz | In letzter Minute wurde der Streik der Fluglotsen in der Nacht auf Dienstag doch noch abgewendet. Die Deutsche Flugsicherungs GmbH (DFS) - die Arbeitgeberin - rief kurz nach Mitternacht die Schlichtung an. Damit herrscht Friedenspflicht, Streiks sind bis zum Ende der Schlichtungsverfahrens unzulässig.

Zuvor hatte das Landesarbeitsgericht Hessen den Streik der Fluglotsen für zulässig erklärt. Abgelehnt wurde damit ein Antrag der Arbeitgeber, die den Streik verbieten lassen wollten. Nach deren Ansicht sind manche Forderungen der Fluglotsen rechtswidrig.

Die Fluglotsen fordern neben 6,5 Prozent mehr Lohn und Überstundenabbau auch Einfluss auf die Besetzung von mehreren hundert Posten der gehobeneren Ebene. Hierfür sollen Qualifikationsmerkmale festgeschrieben werden, zum Beispiel, wie viele Jahre Berufserfahrung ein Bewerber mitbringen muss. Die Flugsicherungs GmbH sah darin einen unzulässigen Eingriff in ihre unternehmerische Freiheit. Außerdem würden Bewerber ohne einschlägige Berufserfahrung diskriminiert.

Das Landesarbeitsgericht hat die Argumentation des Unternehmens nun jedoch abgelehnt. "Die Forderungen der Gewerkschaft der Fluglotsen verstoßen nicht gegen zwingendes Gesetzesrecht", sagte der Vorsitzende Richter Rainer Bram. Qualifikationsregeln seien ein zulässiges Streikziel.

Arbeitsrechtsprofessor Volker Rieble als Schlichter

Viele Reisende zeigten sich verärgert, dass sie bis in die Nacht nicht wussten, ob gestreikt wird oder nicht. Die Flugsicherung begründete die späte Anrufung der Schlichtung damit, dass man die Verhandlungen entlasten wollte. "Die Schlichtung wäre einfacher gewesen, wenn wir nicht über Forderungen reden müssten, die wir für unzulässig halten", sagte ein DFS-Sprecher.

Die Schlichtung wird nach Schätzung der Beteiligten rund vier Wochen dauern. Als Schlichter wird der Münchener Arbeitsrechtsprofessor Volker Rieble die Verhandlungen leiten. Er gilt als arbeitgebernah, denn sein Institut und sein Lehrstuhl werden über eine Stiftung indirekt von Arbeitgeberverbänden finanziert. Rieble betont, dass er dennoch wissenschaftlich unabhängig forsche.

Im Streit um sogenannte Bagatellkündigungen verteidigte Rieble die alte Linie des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vehement, wonach auch geringfügige Diebstähle und Unterschlagungen zur fristlosen Kündigung führen können. Besonders der Fall der Berliner Supermarktkassiererin "Emmely" hatte bundesweit Aufsehen erregt. Inzwischen hat das BAG die alte Rechtsprechung relativiert und misst der Beschäftigungsdauer größeres Gewicht zu.

Streik nach misslungener Schlichtung immer noch möglich

Zuletzt kritisierte Rieble ein BAG-Urteil, das die Tariffähigkeit kleiner christlicher Gewerkschaften bestritt. Die Rechtsprechung komme mit völlig überraschenden Argumenten und sei eine verkappte sozialpolitische Intervention. Hintergrund: Die schwachen christlichen Gewerkschaften hatten im Zeitarbeitsgewerbe besonders arbeitgeberfreundliche Tarifverträge ausgehandelt.

Als Schlichter wurde Rieble von der Flugsicherungs GmbH vorgeschlagen. Die Tarifparteien haben abwechselnd das Vorschlagsrecht. Die Gewerkschaft kritisierte aber nur, dass Politiker als Schlichter besser geeignet seien als Professoren, weil sie besser verhandeln können.

Inhaltlich machen sich die Fluglotsen wohl weniger Sorgen, denn Rieble ist auch ein Freund kleiner kampfstarker Gewerkschaften. Den Versuch, das eigenständige Streikrecht etwa der Lokomotivführer zu beschneiden, lehnte er als verfassungswidrig ab.

Als Schlichter kann Rieble nur einen Vorschlag machen. Wenn sich Arbeitgeber und Gewerkschaften nicht einigen, ist die Schlichtung gescheitert. Dann kann es doch noch zum Streik kommen.

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