Tarifstreit: Stahlkocher kochen
Zwischen Salzgitter und Bremen hat die IG Metall die Stahlarbeiter zu Warnstreiks für mehr Lohn aufgerufen. In Salzgitter soll es zum Schulterschluss mit der Anti-AKW-Bewegung kommen.
![](https://taz.de/picture/296238/14/cyber_N1_metalhead_5sp_4c.jpg)
Um drei Minuten nach zwölf Uhr stand die Stahlproduktion im Bremer Arcelor-Werk gestern still. Bremen war die letzte Etappe des Warnstreiks, der in dieser Woche durch die norddeutschen Stahl-Standorte von Dortmund bis Salzgitter zog. Die IG Metall macht mal wieder den Vorreiter - ihre Tarifauseinandersetzung ist die erste nach der Krise des vergangenen Jahres, in der die Gewerkschaften in erheblichem Umfang "Ja" zur Kurzarbeit gesagt haben.
Jetzt wollten sie aber auch am Aufschwung teilhaben, sagte der Bezirksleiter Oliver Burghard den rund 1.000 Arcelor-Mitarbeitern, die sich in Bremen vor dem Verwaltungsgebäude von Arcelor versammelt hatten. "Wir haben gezeigt, dass wir die Produktion stilllegen können", sagte der Sprecher der Bremer Stahlarbeiter stolz. Die Stilllegung des Hochofens passierte eine Stunde vor Schichtwechsel, so dass zwei Schichten betroffen waren.
Die IG Metall fordert sechs Prozent mehr Lohn, 60 Euro Fixum für die Lehrlinge und gleichen Lohn für die gleiche Arbeit der Leiharbeiter. Die Unternehmensleitung am Standort Bremen habe eingewandt, dass es für die Bremer Hütte doch schon eine "Besserungsvereinbarung" gebe - Leiharbeiter in dem Stahlbetrieb bekommen eine Zulage. Darüber beschweren sich schon andere Firmen, die von demselben Verleiher Arbeitskraft einkaufen, weil sie weniger beliebt sind unter den Arbeitskräften. Aber auch mit Zulage haben die Leiharbeiter keine gesicherte Perspektive, der IG Metall geht es also ums Prinzip des ausufernden Leiharbeiter-Unwesens.
Der Bremer Ökonom Rudolf Hickel, der auf der Kundgebung sprach und sich solidarisierte, nannte es einen Skandal, dass Leiharbeit für viele Betriebe zu einer Dauereinrichtung geworden sei. Bei der Einführung der entsprechenden gesetzlichen Regelungen sei über Flexibilität in besonderen Situationen geredet worden. Hickel erklärte den Stahlarbeitern, dass sie zur "Stärkung der Binnenkonjunktur" beitragen würden, wenn sie sechs Prozent mehr Lohn fordern.
Lautstark machten sich auf der Kundgebung auch Auszubildende bemerkbar, die demnächst ihren letzten Arbeitstag haben. Sie forderten die Übernahme - und nicht nur einen Hinweis auf die Leiharbeitsfirma.
Die Kampagne der IG Metall steht unter dem Slogan: "Sechs Prozent mehr sind fair." Die Stahlbranche profitiere von der guten Konjunktur, erklärte IGM-Bezirksleiter Oliver Burkhard. Wenn die Arbeitgeberseite erkläre, eine Tariferhöhung gefährde jetzt den Aufschwung, dann frage er, wann denn eine Lohnerhöhung nicht störe. Zwei Mal hat sich die Tarifkommission bisher getroffen, ohne dass die Arbeitgeberseite bislang ein Angebot vorgelegt hat. Es werde wohl noch eine Zeit dauern und einiges Druckes bedürfen, um zu einem Ergebnis zu kommen, meinte Burkhard.
Der DGB ruft am kommenden Donnerstag zu einem europaweiten Aktionstag unter dem Motto "Nein zur Kürzungspolitik" auf, mit Kundgebungen am Nachmittag. Die IG Metall nutzt diese Mobilisierung in Salzgitter für eine Protestaktion während der Arbeitszeit um zwölf Uhr am ehemaligen Tor 5 der Salzgitter AG, das heute als Zufahrt zum geplanten Atommüllendlager Konrad dient. Es soll da nicht nur um das "ungerechte Sparpaket" und die Rente mit 67 gehen, sondern auch um die "unverantwortliche Energiepolitik mit längeren Laufzeiten der Atomkraftwerke". In Bremen hatte Oliver Burkhard zum Thema Atom-Protest nichts gesagt, in Salzgitter hätte er das aber getan, sagte er am Rande der Kundgebung der taz. Jutta Blankau von der Bezirksleitung der IG Metall Küste meinte: "Die Mehrheit der Menschen ist gegen längere Laufzeiten der Atomkraftwerke." Wenn die Bundesregierung den Energiekonzernen zusätzliche Gewinne in Milliardenhöhe zuschanze, dann hätten dafür "insbesondere die Menschen kein Verständnis, die durch das Sparpakt von massiven Kürzungen im sozialen Bereich betroffen sind".
Besonders in Niedersachsen versucht die IG Metall den Schulterschluss zur Antiatom-Bewegung. "Niedersachsen ist nicht die ,Strahlungs-Deponie' der Republik", erklärte Hartmut Meine, IG Metall-Bezirksleiter für Niedersachsen, kürzlich in Gorleben.
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