Tarifstreit um Journalistengehälter: Eine zerrüttete Beziehung
Die Zeitungsverleger wollen die Gehälter für Redakteure kürzen, die Journalistengewerkschaften wollen das verhindern. Zur Not mit Streiks - und um Zeichen zu setzen.
Die Historie der deutschen Journalistengewerkschaften war bisher "nicht wirklich streikreich", sagt Kajo Döhring, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV). "Das Verhältnis zu den Arbeitgebern war mit Sozialpartnerschaft nicht falsch beschrieben." Seit einigen Wochen gilt das nicht mehr. Die Partner von einst wollen im Rahmen der Tarifverhandlungen für Zeitungsredakteure die Gehälter um zirka 5 Prozent senken. Vor allem wollen sie laut Gewerkschaften die Anfangsgehälter für Volontäre und neu eingestellte Redakteure um 25 Prozent kürzen. Der Bundesverband deutscher Zeitungsverleger (BDZV) hält dagegen, es seien maximal 15 Prozent.
Am Dienstag vergangener Woche streikten allein in Baden-Württemberg Redakteure von 23 Zeitungen. In dieser Woche folgten Warnstreiks bei 14 Zeitungen in Baden-Württemberg und 25 in Nordrhein-Westfalen - die Begleitmusik zur achten Verhandlungsrunde, die am Mittwoch im Berliner Hotel Hilton wieder mal ohne "befriedigende Fortschritte" (Ver.di-Vize Frank Werneke) zu Ende ging. Weil die Warnstreiks die Verleger nicht beeindrucken, denken die Arbeitnehmervertreter nun über dauerhafte Streiks nach. Die Gewerkschaften sind auch verstimmt, weil die Verleger behaupten, ihnen gehe es schlecht, dies aber nicht belegen. Der BDZV meldete für die Branche gerade ein Umsatzplus von 0,7 Prozent.
Generell sei die Kampfbereitschaft in diesen Wochen "sensationell", sagt Renate Gensch, die Betriebsratschefin des Berliner Verlags. Es gab bisher nur einmal vergleichbare Streiks: 1990, als die Gewerkschaften den Flächentarifvertrag für Auszubildende durchsetzten. Die Bedeutung der aktuellen Auseinandersetzung reicht über die Zeitungen hinaus. Sonst streiten bei Tarifverhandlungen die Parteien darüber, wie hoch die Gehälter angehoben werden. Dass der BDZV eine Kürzung durchsetzen will, könnten andere Unternehmerverbände als Signal auffassen. "Mit solch einer Position ist schon lange kein Arbeitgeberverband mehr angetreten, nicht einmal Gesamtmetall während der Finanz- und Wirtschaftskrise", schreibt die Süddeutsche Zeitung.
Überstunden aufschreiben
Auch jenseits des Tarifstreits verhärten sich die Fronten: Die Leipziger Volkszeitung und die Dresdner Neuesten Nachrichten haben am Mittwoch ihre Mitgliedschaft im Verband Sächsischer Zeitungsverleger in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung umgewandelt. Zudem kritisiert der DJV aktuell, dass die Auszubildenden der neuen Bauer-Journalistenschule 1.000 Euro monatlich bekommen. Bauer-Volontäre verdienten im ersten Jahr bisher 1.769 Euro.
Einen möglichen Effekt der BDZV-Pläne verdeutlicht ein offener Brief von Nachwuchsjournalisten an die Zeitungsverleger auf openpetition.de: "An den Universitäten und Journalistenschulen erfahren junge Journalisten früh, wie schlecht die Arbeitsbedingungen im Medienbereich geworden sind. Viele von uns erleben, wie Freunde sich vom Journalismus abwenden. Sie […] suchen sich andere Jobs mit besseren Zukunftsaussichten. Die Verlage werden schon bald Probleme bekommen, noch genug gute Bewerber zu finden."
Schon jetzt ist die Attraktivität des Redakteursberufs begrenzt. Stefan Geiger, Betriebsrat bei der Stuttgarter Zeitung, sagt, das Einstiegsgehalt eines Akademikers in der Automobilbranche sei mit 4.400 Euro höher als das Maximalgehalt eines normalen Redakteurs. Eine Teilschuld haben die Journalisten selbst. Renate Gensch sagt, manche ihrer Kollegen wunderten sich darüber, dass die eigenen IT-Leute oder Angestellte aus der Druckbranche mehr verdienen. Der Grund dafür ist simpel: Letztere schreiben ihre Überstunden auf. Journalisten tun das aus falsch verstandenem Stolz selten.
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