piwik no script img

Tarifexperten zur Tarifrunde"Die IG Metall rechnet mit 5 bis 6 Prozent"

8 Prozent mehr Lohn fordert die Gewerkschaft in der heute beginnenden Tarifrunde 2008. "Wirklichkeitsfremd" nennen das die Arbeitgeber. Wie viel bekommt die IG Metall am Ende?

Die IG Metall will 8 Prozent mehr Gehalt - und hat damit die höchste Lohnforderung seit 16 Jahren gestellt. Bild: ap

BERLIN taz Die IG Metall will 8 Prozent mehr Gehalt - und hat damit die höchste Lohnforderung seit 16 Jahren gestellt. Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall hält die Gewerkschaft für "wirklichkeitsfremd" und bescheinigt ihr, sie habe "nicht alle Tassen im Schrank". Ist das nur Rhetorik vor den am Donnerstag beginnenden Tarifverhandlungen für die 3,6 Beschäftigten in der Metall- und Elektrobranche? "Es wird mit Sicherheit eine sehr harte Auseinandersetzung", sagt Josef Esser, Gewerkschaftsexperte von der Universität Frankfurt/Main. Er rechne mit einer "harten, sehr frühen Streikwelle" der IG Metall.

"Dieses Jahr war insgesamt eine militante Tarifrunde der Gewerkschaften", sagt Esser. Denn die Gewerkschaften hätten 2008 auf einen hohen Nachholbedarf bei den Löhnen gepocht - und sich damit teils mit wochenlangen Streiks wie im öffentlichen Dienst auch durchgesetzt. 5,2 Prozent plus in der Stahlbranche, 4,9 Prozent in der Chemiebranche, 8 Prozent auf zwei Jahre im öffentlichen Dienst: "Da will die IG Metall in der Superbranche der deutschen Wirtschaft weiterhin Vorreiter bleiben", sagt Esser. Die IG Metall rechne "mit einem Abschluss von 5, sogar 6 Prozent mehr Lohn".

Auch Heiner Dribbusch, Tarifexperte bei der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, rechnet mit einem deutlich höheren Abschluss als 2007, als die IG Metall bei einer Forderung von 6,5 Prozent ein Plus von 4,1 Prozent erstritt. "Die Forderung der IG Metall in Höhe von 8 Prozent hat klar gemacht, dass die Erwartungen der Arbeitnehmer in den Betrieben schon sehr hoch sind", sagt Dribbusch. Ob es zum Streik komme, hänge aber auch davon ab, ob die IG Metall von den Arbeitgebern in den ersten Verhandlungsrunden ein Signal bekomme, dass der Konflikt am Verhandlungstisch gelöst werden könne.

"Die Arbeitgeber sind diesmal leichter erpressbar", sagt Hagen Lesch, Tarifexperte beim arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft. Warnstreiks träfen die Betriebe der Vorzeigebranche Metall und Elektro deshalb schwerer, weil die Auftragsbücher voll seien und die Produktion in der Industrie vernetzt und dadurch störanfälliger sei als etwa im Einzelhandel. Zudem sei die IG Metall stärker aufgestellt als andere Gewerkschaften, weil sie über einen guten Organisationsgrad in den Betrieben verfüge. "Ver.di war in diesem Jahr mit aggressiven Warnstreiks erfolgreich - aus einer Position der Schwäche heraus", sagt Lesch. "Die IG Metall kommt aus einer Position der Stärke." Gewerkschaftsexperte Esser kann sich vorstellen, dass die Arbeitgeberseite die Belastungen einer hohen prozentualen Lohnerhöhung durch andere Komponenten abfedern will. So bevorzugen die Arbeitgeber Einmalzahlungen, weil diese nicht in die Lohntabellen eingehen. 2007 hatte die IG Metall einer Einmalzahlung in Höhe von 400 Euro zugestimmt - neben der prozentualen Erhöhung. Zudem hatte die IG Metall in der Tarifrunde 2006 nicht nur einer Einmalzahlung in Höhe von 310 Euro zugestimmt, sondern den Betriebsparteien damals auch freigestellt, diesen Betrag je nach Lage des Unternehmens zu streichen oder zu verdoppeln. Die Arbeitgeber bevorzugen solche Modelle, weil es Betriebe berücksichtigt, denen es trotz des Branchenbooms nicht so gut geht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!