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Tanzende Diven

Durch ein 2:0 über Olimpia Asunción im Weltpokal-Finale zeigen Real Madrids hoch bezahlte Koryphäen, dass sie doch die Besten sind

aus Yokohama MARTIN HÄGELE

Die Uhr im Stadion von Yokohama zeigte exakt 21.06 Uhr, als der FC Bayern München seinen letzten Titel verloren hatte. Besonders überrascht von den Bildern aus Japan dürften die Vorstandsvorsitzenden des deutschen Rekordmeisters, Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß, nicht gewesen sein beim Mittagessen in München, schon gar nicht von den standesgemäßen Nachfolgern aus Madrid. Auch wenn jetzt schon böse Zungen behaupten, der fast mannsgroße Pokal für den 2:0-Erfolg über Südamerikas Champion Olimpia Asunción dürfte das einzige Stück Silberware sein, das sich der berühmteste Klub der Welt in der laufenden Saison in den riesigen Trophäensaal stellen kann, so launisch, wie sich die Weltauswahl um Zinedine Zidane, Ronaldo, Figo und alle anderen Diven zuletzt in der heimischen Liga angestellt hatte. Und auch in der Champions League hatten die Sterne der „Königlichen“ bislang nicht gestrahlt, mehr schlecht als recht ist das exklusive Ensemble im kontinentalen Wettbewerb bislang über die Runden gekommen.

Offensichtlich können sich Koryphäen aber doch besonders motivieren, sobald es viel Prestige zu gewinnen gibt. Andersherum tun solch erfolgsverwöhnten Herrschaften Niederlagen mehr weh als normalen Profis, und diese Lektion hatten Roberto Carlos, Raul und Co. zwei Jahre zuvor im Fernen Osten gelernt, als dieser, offiziell Toyota-Cup genannte, Vergleich der besten Fußball-Kontinente noch im alten Tokioter Olympiastadion ausgetragen worden war. Aus der Niederlage gegen Boca Juniors, die damals schon nach einer Viertelstunde feststand, hatten die stolzen Spanier gelernt, „weil es verdammt schmerzt mit so einem Ergebnis am andern Morgen 14 bis 15 Stunden nach Madrid zu fliegen“. Jedenfalls war der Kader von Trainer del Bosque diesmal schon am vergangenen Freitag in Tokio gelandet, Real hatte sich am Wochenende eine Auszeit aus dem nationalen Fußballbetrieb genommen, um ohne Jetlag und bestens präpariert auftreten zu können.

Ganz anders als im Vorjahr der deutsche Vertreter Europas, der sich gegen die konterstarke Truppe von Boca Juniors auf gar kein Risiko einließ und einfach auf die bessere Fitness und größere Kraft setzte, wollte Real diesmal die Philosophie vom weißen Ballett vorführen. Diese Partie sollte erstens Revanche für die letzte Pleite sein, viel mehr noch aber wollten die teuersten Fußballspieler dieser Erde wieder einmal jene Show abziehen, die sonst nur dem Basketball-Wanderzirkus der Harlem Globetrotters vorbehalten ist.

Roberto Carlos’ scharfe Hereingabe von der linken Seite, Raul lässt die Kugel zwischen den Beinen durchlaufen und verschafft mit diesem brillanten Täuschungsmanöver Ronaldo freie Schussbahn, genau von jener Stelle, von welcher „Il Phenomeno“ fünf Monate zuvor mehrfach an seinem großen Widersacher Kahn gescheitert war. Anders als im WM-Finale brauchte der Torjäger diesmal keine handvoll Versuche, schon sein erster landete nach 13 Minuten im Netz von Paraguays Ausnahmeteam.

Warum diese Mannschaft von Olimpia Asunción in den vergangenen 100 Jahren auf ihrem Erdteil fast eine ähnliche Historie geschrieben hat wie Madrid und sich immer wieder durchsetzen konnte gegen die Vertreter der Weltmeister-Nationen Brasilien, Argentinien und Uruguay, zeigte die von Trainer Pumpido hervorragend eingestellte Elf immer wieder. Als postwendend nach Ronaldos Führungstor Lopez die Kugel gegen den Pfosten drosch, Benitez und erneut Lopez innerhalb von Sekunden freistehend am Fünfmeterraum den Ausgleich verschenkten (39.), ein Distanzschuss von Benitez nur knapp sein Ziel verfehlte (64.) und kurz darauf der eingewechselte Mittelstürmer Baez eine Kopfballchance vergab, die ihn wohl sein Leben lang verfolgen wird.

Wer ein Finale dieser Qualität gewinnen will, der muss in solch einem Moment einfach so nervenstark sein wie Ronaldos Ersatzmann Guti. Der Torschützenkönig der Weltmeisterschaft hatte sich noch nicht einmal richtig in warme Hose und Trainingsmantel vermummt, da hatte dessen Stellvertreter den exklusiven Auftrag endgültig erledigt: Eine Flanke Figos verlängerte er unhaltbar zum 2:0. Dass der lange Hierro in der Nachspielzeit noch den Ehrentreffer der doch etwas zu brav attackierenden Paraguayer verhinderte, spiegelte schon das wahre Kräfteverhältnis wider. Fast immer obsiegt bei diesem Kräftemessen der Fußball-Erdteile derjenige, auf dem am meisten Geld bezahlt wird. Und nirgendwo wird mehr bezahlt als bei Real Madrid.

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