Tanzen in Kriegszeiten: Party machen

Jetzt feiern, tanzen, Party – ist Hedonismus in Krisenzeiten erlaubt? Wie kann man feiern, als gäbe es kein Morgen mehr, während Bomben auf Wohnviertel fallen?

Im Vordergrund zwei tanzende Menschen im Gegenlicht. Viele weitere tanzende Menschen dahinter.

In Krisenzeiten ist Party ein legitimes Mittel zum Krafttanken Foto: imago stock&people

taz lab, 25.04.2022 | Von ANASTASIA TIKHOMIROVA

Ich konnte es kaum abwarten, wieder so feiern zu können wie vor der Pandemie.

Doch eine Woche bevor die Berliner Clubs nahezu ohne Hygienevorschriften wieder ihre Pforten öffneten, ist meine Vorfreude aufs Ausgelassensein und Tanzen Entsetzen und einem Gefühl der Ohnmacht angesichts des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine gewichen. Wie kann man feiern, als gäbe es kein Morgen mehr, während Bomben auf Wohnviertel fallen?

Mit Argwohn beobachtete ich alle, die Nachrichten an den Krieg einfach ausstellen und sich sorgenfrei die Nächte um die Ohren schlagen konnten. Dieses Privileg hatten viele Menschen aus der Postost-Diaspora, allen voran Ukrainer:innen nicht, die sich auch am Wochenende um Evakuierungen, Flüchtlinge und Demonstrationen kümmerten.

Hedonismus zum Kraft tanken

Als meine ukrainischen Freunde aus Kyjiw flohen und in Berlin ankamen, verschwanden sie bald für einige Nächte im Berghain.

Ob das überhaupt ein gesunder Coping-Mechanismus sein könne, fragte ich mich, aber auch, ob Hedonismus nicht hilfreich sein könne, um schwere Zeiten erträglicher zu machen. Das Leben geht auch unter diesen Umständen irgendwie weiter und niemandem ist geholfen, wenn wir anfangen, permanent Trübsal zu blasen, sagte eine ukrainische Freundin zu mir.

Das bedeutet jedoch mitnichten, dass wir dabei ignorant werden, sondern lediglich Feiern als Möglichkeit des Krafttankens für Solidarität mit der Ukraine nutzen.