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Taliban-TerrorAngriff auf Kabul

Das streng bewachte Regierungsviertel in Kabul ist am Montag von Talibankämpfern angegriffen worden. Nach stundenlangen Gefechten konnten Soldaten das Killerkommando besiegen.

Afghanische Soldaten in Stellung vor einem Einkaufszentrum. Bild: reuters

KABUL taz | Etwa zwanzig mutmaßliche Talibankämpfer haben am Montagvormittag mehrere Gebäude im militärisch schwer gesicherten Zentrum der afghanischen Hauptstadt Kabul angegriffen. Bei der koordinierten Kommandoaktion mit Granaten und Schnellfeuerwaffen, an der auch mehrere Selbstmordattentäter mit Sprengstoffwesten beteiligt gewesen sein sollen, wurden nach Agenturberichten unter anderem der Präsidentenpalast, zwei Ministerien, die Zentralbank, das von Ausländern genutzte Fünf-Sterne-Hotel "Serena" sowie zwei Einkaufszentren und ein Kino angegriffen. Ein Einkaufszentrum ging bei dem Angriff in Flammen auf. Auch über anderen angegriffenen Gebäuden stand Rauch.

Es dauerte etwa vier Stunden, bis Sicherheitskräfte der Regierung, die von US-Truppen unterstützt wurden, die Angreifer weitgehend zurückschlagen oder töten konnten. Am Abend dauerte die Suche nach möglicherweise verschanzten Angreifern noch an. Nach offiziellen Angaben starben mindestens sieben Aufständische, vier Sicherheitskräfte und ein Zivilist. Mindestens 36 Menschen sollen bei den Feuergefechten verletzt worden sein. Ein Talibansprecher übernahm telefonisch die Verantwortung für den Angriff von - nach seinen Worten - mehr als zwanzig Kämpfern.

Ein Sprecher des Innenministeriums sagte, zwei Selbstmordattentäter hätten sich vor dem Präsidentenpalast in die Luft gesprengt. Zwei weitere seien von afghanischen Sicherheitskräften getötet worden. Präsident Hamid Karsai vereidigte nach Angaben seines Sprechers inmitten des Angriffs in seinem Palast die bisher vom Parlament bestätigten 14 Minister seines neuen Kabinetts. Karsai verurteilte später die Angriffe als "unpatriotisch" und kündigte eine weitere Verstärkung der Sicherheitskräfte im Zentrum der Stadt an.

Der gerade in Indien weilende US-Sonderbotschafter für Afghanistan und Pakistan, Richard Holbrooke, sagte: "Es ist nicht überraschend, dass die Taliban solche Dinge machen. Sie sind verzweifelt und skrupellos." Zugleich warnte er, dass mit weiteren solchen Angriffe gerechnet werden müsse. Die Angreifer würden solche Attacken aber nicht überleben.

Die koordinierte Angriffsserie - die schwerste seit etwa einem Jahr - zeigt erneut, dass auch in der Hauptstadt afghanische und ausländische Militärs die Sicherheit nicht gewährleisten können. Zuletzt war am Freitag in der Nähe der deutschen Botschaft im Bezirk Wasir Akbar Khan eine Rakete eingeschlagen. Verletzt wurde dabei niemand. Mitte Dezember waren bei einem Selbstmordanschlag in der Stadt acht Menschen getötet worden. Zuvor waren bei einem Selbstmordanschlag auf ein Gästehaus der UNO Ende Oktober fünf ausländische UN-Mitarbeiter und drei Afghanen getötet worden. Das Serena-Hotel war schon mehrfach angegriffen worden. Jetzt konnte das dortige Sicherheitspersonal aber Todesopfer verhindern, weil Gäste schnell in einen unterirdischen Bunker gebracht wurden.

Am 28. Januar findet in London eine wichtige Afghanistan-Konferenz statt, bei der die Regierung in Kabul und die internationale Gemeinschaft ihr Vorgehen koordinieren wollen. Die afghanische Regierung will dabei einen Plan vorlegen, der Kämpfern der Taliban mit westlicher Finanzierung eine gesichtswahrende Aufgabe ihres Kampfes und Abgabe der Waffen ermöglichen soll. Doch je schwächer die Regierung bereits im Vorfeld aussieht, desto weniger attraktiv dürfte es für Talibankämpfer sein, sich auf Angebote dieser Regierung einzulassen.

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8 Kommentare

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  • V
    vic

    @ Majo

    Die Mudschaheddin erhielten ihre Waffen größtenteils von den USA, für den Widerstand gegen Russland.

    Und es wäre nicht verkehrt mit den Verbündeten von gestern zu reden, anstatt ihr Land platt zu machen.

    Das ist aber nicht Aufgabe des Herrn Baron und außerdem mehrere Nummern zu groß für ihn.

    Seine Aufgabe ist, die Bundeswehr wieder auf den Boden der Verfassung zu holen.

  • N
    njo

    Ich wundere mich doch einmal wieder sehr, wofür es dieser Tage eigentlich der taz bedarf: US-Truppen und Sicherheitskräfte gegen "Killerkommandos" - wenn ich schon dazu bereit soll, mich auf die übliche "us versus them" - Dichotomie der Mainstream-Medien einzulassen, dann bin ich aber mit der FAZ rein qualitativ gesehen weitaus besser bedient..

  • D
    Demokratieversteher

    20 Extremisten - die Taliban haben gerade mal 20 (in Worten: Zwanzig) Heinis aufgetrieben, die sich für die Aktion zur Verfügung gestellt haben. Nicht 20.000, nicht 2000, nicht mal 200. Weiter so ISAF!

  • BG
    Bernd Goldammer

    Alles Geheule nützt nichts. Die USA haben die Taliban einst gut ausgebildet. Jetzt, nachdem die Russen bereits seit Jahrzehnten verjagt worden sind wenden die "Koranschüler" ihr Wissen gegen einstige Komplizen an. Eine Truppe von 20 Mann kann die waffenstarrende afghanische Regierung gefährden -ein deutliches Indiz dafür, dass dieser Krieg nicht zu gewinnen sein wird. Zwanzig Taliban erstürmen mit dieser Botschaft die Schlagzeilen der ganzen Welt. Hätte der Westen alle eingesetzten Mittel konsequent in politisch- diplomatische Wege investiert, wären diese Taliban nur noch eine Legende in Geschichtsbüchern, die jeder weibliche und männliche afghanische Staatsbürger längst lesen könnte. Das geschundene Volk hätte seine Bildung längst selbst organisiert. Und unsere Satelitenbeobachtung würde dort auch keine Schlafmohnfelder mehr orten, weil die zivilisierten Bauern dieses Landes Besseres mit ihrem Boden anzufangen wüssten. Statt dessen haben die Taliban wieder Herzens- Zulauf in Afghanistan. Die Bevölkerung ist nach vielen Jahrzehnten „Krieg gegen ausländische Mächte“ wirklich sehr verzweifelt. Krieg ist ein blutiger Holzweg! Militärs bekämpfen nur Symptome, die zivilisierte Weltbevölkerung muss endlich die bekannten Ursachen angehen.

  • B
    Boris

    Ist das jetzt Krieg?

    Wann ist der Krieg ein Krieg?

    Was hat unsere Feiheit mit diesem Krieg zu tun?

    Als es noch gegen Russland ging waren es Freiheitskämpfer.

    Wer hat die "Aufständigen" ausgebildet und mit Waffen beliefert?

  • M
    Majo

    "Verteidigungsminister Guttenberg will unter Umständen auch mit gemäßigten Taliban sprechen, um die Lage in Afghanistan zu stabilisieren." ist überall zu lesen.

     

    Taliban, die auf deutsch etwa »Koranschüler« heißen, sind wohl aus den Mudschaheddin hervorgegangen und finden ihre Anhänger auf Grund ihrer radikal-islamischen Werte.

     

    Mit radikalen Fundamentalisten kann man nicht über ihre Idiologie reden, schon gar nicht, wenn sie bewaffnet sind und ihre Waffen für ihre Ziele einsetzen Herr Guttenberg. Sie waren doch Soldat, das sollten Sie als Verteidigungsminister besser wissen, oder ?

  • S
    Sub

    "Killerkommando attackiert Kabul!"

    Werden die Überschriften jetzt von Kai Diekmann geschrieben?

  • A
    Apostat

    "Denn sie lieben den Tod mehr als wir das Leben"

     

    Frau Käßmann jetzt mal eine praktische Frage, wie und worüber sollte man sich mit den Talibans unterhalten?