: Tal des Jammer(n)s ist durchschritten
■ Positive Zwischenbilanz der Hochschulen im Osten der Stadt / Bei den Berufungen weit vorangekommen / Ost-West-Mischung ist weitgehend gelungen
Die Hochschulen im Osten Berlins haben das Tal des Jammer(n)s offenbar durchschritten. Die personelle Umgestaltung sei weitgehend abgeschlossen. Dabei sei, ohne Quote, eine fast durchweg paritätische Ost-West-Mischung erreicht worden. Und auch die Frauen nähmen an den Osthochschulen einen überdurchschnittlichen Anteil ein. Das sind die Botschaften, die gestern die gute alte Tante Humboldt-Universität übermittelte – zusammen mit der „Fachhochschule für Wirtschaft und Technik“ in Karlshorst und den drei kleinen künstlerischen Schwestern „Ernst Busch“ (Schauspiel), „Hanns Eisler“ (Musik) und Kunsthochschule in Weißensee.
Das Tal der Tränen war tief. Denn „der Personalabbau war massiver als nach außen sichtbar“, strich Marlis Dürkop, die Präsidentin der „Alma Mater“ HUB heraus. „Fast 3.000 Menschen haben diese Uni in den letzten drei Jahren verlassen“, sagte sie. Und meinte, streitbar an die doppelt so großen Tanker-Unis im Westen – die Freie und die Technische Universität – gerichtet, „daß wir unseren Anteil an Personalabbau schon erbracht haben“.
Bei ihren kleinen Schwestern sieht das kaum anders aus. Fast überall mußte die Hälfte des Personals gehen. Oder, umgekehrt: durften 50 Prozent nach vielfacher Evaluation bleiben. Die OstlerInnen, die jetzt noch da sind, sagte Alfred Hückler, Rektor der Weißenseer Kunsthochschule, „sind gegauckt, bewährt, anerkannt und von den Studierenden bestätigt“. Von 35 Neuberufungen stammen in Weißensee 18 aus dem eigenen Hause. Bei der Hochschule für Musik, „Hanns Eisler“, ist es gut die Hälfte der 52 Berufenen. Die Professorenstellen bei „Ernst Busch“, vier an der Zahl, haben ehemalige Dozenten erklommen. In Karlshorst liegt die Ost-West- Durchmischung nach 72 Neuberufenen ebenso bei fifty-fifty.
Die Aufarbeitung der Vergangenheit beginne aber erst jenseits der Zahlen, erklärte Marlis Dürkop. „Die wirkliche politische Erneuerung“ sei ein Diskussionsprozeß, der wieder verstärkt zu führen sei. Die Präsidentin war zuversichtlich und setzte dabei auf zweierlei: das Durchmischungsverhältnis mit Leuten aus Ost und West, bei dem die „Wessis“ als Katalysatoren der Debatten wirken könnten – „wenn auch manchmal auf eine nicht genehme Art“. Und Dürkop glaubt, daß solche Diskussionen für „Ossis“ wieder leistbar sind, „wenn die materielle und existentielle Unsicherheit“ weg ist.
Wie Diskussionen um Aufarbeitung anzuzetteln seien, schilderten die RektorInnen der Osthochschulen an Beispielen aus der Vergangenheit. In Weißensee, wo die letzte DDR-Kommunalwahl sensationelle 52 Prozent Gegenstimmen gebracht habe – so Hückler –, hätten die Studenten im Konzil mit den Professoren diskutiert. Die musikalischen LehrerInnen bei „Hanns Eisler“ hätten sich öffentlichen Befragungen durch Studierende gestellt, berichtete Rektorin Annerose Schmidt. Und wiederum ihre Kollegin Marlis Dürkop zeigte, auf welchen Wegen es weitergehen könnte: Die Relegationsverfahren wegen politischer Unbotmäßigkeit müßten aufgeklärt werden. Außerdem brauche es ein Rehabilitierungsgesetz. Bislang sei nur immaterielle Wiedergutmachung möglich gewesen. „Ich wünsche mir ein Verfügungspotential an Stellen, um Herausgedrängten das Ein- oder Nacharbeiten zu ermöglichen“, sagte Frau Dürkop. Christian Füller
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