Tagung Haasenburg-Heime: Keine ausreichende Kontrolle

Experten berieten bei einer Tagung, wie sich die Aufsicht über Heime verbessern lässt. Die bisherigen Maßnahmen reichen noch nicht.

Eines der Kinder- und Jugendheime der Haasenburg GmbH in Brandenburg. Bild: dpa

BERLIN taz | Ein Jahr nachdem die taz über den brutalen Umgang mit Kindern und Jugendlichen in den Heimen der Haasenburg GmbH berichtete, äußern sich jetzt Bundespolitiker zu dem Skandal. Bei einer Tagung über Alternativen zur geschlossenen Unterbringung in Berlin versprach der Staatssekretär im Bundesfamilienministerium, Ralf Kleindiek (SPD), Ländern und Kommunen erstmals Unterstützung. Kleindiek sagte: „Der Bund sieht sich in der Verantwortung.“ Gegenüber der taz kündigte er eine gemeinsame Initiative von Bund und Ländern in diesem Jahr an.

Das Ministerium in Brandenburg zeigte sich von dem Vorstoß überrascht. Bislang fühlte sich der Bund in der Sache nicht zuständig. Beim Bundesjustizministerium hatte es noch Anfang Juni geheißen, man sehe keinen akuten Bedarf an Gesetzesänderungen. Dies hatten die Potsdamer Neuesten Nachrichten berichtet.

Brandenburgs Familienministerin Martina Münch (SPD) mahnte bei der Fachtagung mit rund 200 Experten der Jugendhilfe eine Änderung des Sozialgesetzbuchs an. Zuständig ist hier der Bund. Das Ministerium arbeitet weiter an einer Bundesratsinitiative. Das Problem besteht darin, einem Betreiber die Betriebsgenehmigung zu entziehen. Geregelt ist das im Sozialgesetzbuch VIII: Dem Betreiber muss nachgewiesen werden, dass die Missstände strukturell bedingt sind und er nicht willens ist, die Probleme abzustellen.

Bei Experten der Tagung gilt dies als nahezu unerfüllbar. Die Vertreter der Haasenburg GmbH hatten jahrelang behauptet, künftig besser aufpassen zu wollen. Bislang wurde in der juristischen Auseinandersetzung mit der Haasenburg nur das Rechtsschutzersuchen der Firma abgelehnt, das einen vorübergehenden Weiterbetrieb ermöglicht hätte. Der Ausgang im Hauptsacheverfahren ist ungewiss.

Der ehemalige Vorsitzende der mittlerweile abgeschlossenen Haasenburg-Kommission, Martin Hoffmann, forderte erneut eine unabhängige Kontrollinstanz, eine Art TÜV. Das hatte er bereits nach Bekanntwerden der Missstände gesagt. Zudem gebe es strukturelle Probleme mit dem einschlägigen Paragrafen 1631b BGB. Es sei immer noch nicht geregelt, was in geschlossenen Einrichtungen erlaubt sei. Das gelte insbesondere für Fixierungen, aber auch für die Anwendung von Antiagressionsmaßnahmen, die im Falle der Haasenburg GmbH zu Frakturen bei den Insassen geführt hatten.

Münch hält nun eine bundesweite Zusammenarbeit von Jugendhilfe und -psychiatrie für erforderlich. Nötig sei „ein komplexes, übergreifendes System“, sagte sie.

Nach Angaben von Sabrina Hoops, Wissenschaftlerin am Deutschen Jugendinstitut, gibt es bundesweit 338 Plätze in 28 geschlossenen Heimen, vor allem in Süddeutschland. Bayern führt mit 126 Plätzen für die umstrittene Unterbringung. In fünf Ländern wird diese nicht praktiziert. Trotz enormer Tagessätze für einen Platz von 300 bis 450 Euro seien die Wartelisten für frei werdende Plätze lang, sagte Hoops. Vor allem weil der Marktführer Haasenburg GmbH weggefallen ist.

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