„Tag des Deutschen Butterbrotes“: Rettet die Stulle!
Heute wäre der „Tag des Deutschen Butterbrotes“. Wäre. Leider wird der Tag nicht mehr ausgerufen. Fünf taz-AutorInnen feiern trotzdem.
Die Luxus-Stullisierung
Eine Schnitte handgeknetetes Bio-Roggenbrot mit buchenholzgeräuchtertem Wildschweinschinken oder, nee, besser die Vegetarier nicht vergretzen: mit Balsamico-Zwiebeln und Pecorino direkt aus der kleinen Mikro-Käserei im Latium – da sind 11,50 Euro ja quasi noch geschenkt.
Weil einfach doch irgendwie immer am besten ist. Wer sich auf Berliner Streetfood-Events herumtreibt, der weiß, dass Qualität eben ihren Preis hat. Beziehungsweise dass die deutsche Hauptstadt inzwischen ausreichend stadtneurotische Einwohner hat, die um jede kulinarische Selbstverständlichkeit einen Oh-ah-selbstgemacht-und-der-Kuh-noch-die-Hand-geschüttelt-Hype machen.
Siehe Kaffeezubereitung: Seit dessen Zubereitung ein Ausbildungsberuf ist und man natürlich Flat Whites kaufen muss – obwohl die natürlich 1 Euro mehr kosten als Cappuccinos, was kriegt denn der Kaffeetrinkpartner sonst für einen hinterweltlerischen Eindruck von einem –, kann man offenbar auch das Belegen einer Scheibe Brot mit Produkten, die irgendwie den Ruch von ursprünglich und handgemacht und DIY haben, in astronomische Höhen treiben. Slowfood halt. Street Food.
Die Luxus-Stullisierung – das ist die Landlust der urbanen Posthipster. Kürzlich sagte ein ältlich gewordener Berliner Clubmogul, einst Keimzellenbetreiber der hiesigen Elektroszene, in einem Interview, dass Essen das neue Tanzen sei. Chutneygeschwängerte Völlerei statt drei Tage wach – da ist leider mehr dran, als gut wäre. Meike Laaff
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Die Symbiose
Es gibt kaum etwas Langweiligeres als Brot und Butter. Und nichts besseres als ein Butterbrot. Nur in der Symbiose der beiden Lebensmittel zeigt sich ihre Berechtigung, denn was wäre das Brot, wenn man sich die Butter von selbigem nehmen ließe? Trocken. Und, ganz ehrlich: Nicht mal in der Not schmeckt die Butter ohne Brot.
Tag des deutschen Butterbrotes
Bei uns zu Hause sagte man „der Butter“, so war das eben in Süddeutschland; genau wie ich, als ich noch ein Kind war, jeden Samstagabend gebadet wurde. Danach gab es einen flauschigen Bademantel mit Kapuze und belegte Brote. Während der restlichen Woche schmierte sich jeder seine Brote selbst, was gezwungenermaßen mit Aufwand zu tun hatte und mit Entscheidungen, die getroffen werden mussten (Käse? Wurst? Vegetarische Pastete?). Nie fühlte ich mich hingegen leichter, sicherer und umsorgter, als wenn meine Mutter am Samstag das Brot in mundgerechte Stücke schnitt, mit verschiedenem Aufschnitt belegte und mit einer halben Essiggurke garnierte.
Klar, dass ich meinem Freund an einem gemütlichen Abend vor dem Fernseher belegte Brote servierte. Mit viel Liebe (und Butter!). Mehr Zuneigung geht nicht, alles andere ist prätentiöser Kitsch. Ich also mit einem Teller ins Zimmer, in Erwartung eines Freudenschreis. Er kam dann auch, der Schrei: „Schnittchen? Wie spießig.“ Wir hatten uns dann erst mal nicht mehr so viel zu sagen. Aber schon vor der nächsten Werbepause war der Teller leer. Und ich holte still und leise Nachschub. Zwei Mal. Franziska Seyboldt
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Der Brotpurismus
Fingerdick streichen die cholesteringeschwängerten Fettfetischisten ihre tranigen gelben Klumpen aufs gute deutsche Brot und kippen Minuten später kugelnd auf ihre ausgebeulten Butterbäuche – chronische Herzverschlammung, keine Chance.
Vielleicht esse ich deshalb keine Butter auf Brot, dem die schlingenden Schmierterroristen den unwürdigen Namen „Butterbrot“ gaben (welches Brot ist denn bitte schön aus Butter?)
Dieser Brotpurismus führt zu Irritationen mit den Fettmenschen, deren Gutbuttertum an Nötigung grenzt:
Was? Du nimmst keine Butter aufs Brot? – Ja, ich nehme keine Butter aufs Brot. – Warum? Willst du etwa gesünder leben? Da solltest du aber auf Butter nicht verzichten! – Keine Ahnung, mache ich halt schon immer so. – Schmeckt das denn überhaupt? – Ja, sehr gut! – Willst du nicht doch, wir haben auch so fettreduzierte . . .? – NEIN!
Aber vielleicht haben sie ja doch recht – das fehlende Fett macht sich langsam bemerkbar: Meine mit trockenen Mehlerzeugnissen zerfolterten Stimmbänder klingen wie der auf Geislein hungrige Wolf nach der Kreidemahlzeit, doch das ohrenbetäubende Knirschen meiner Zähne übertönt das eh; mein Gang ist steif und unrund; mein Leben flutscht einfach nicht. Neuerdings fehlt mir gar die Lust dazu, Brötchen überhaupt in zwei Hälften zu schneiden. Ich leg den Käse einfach oben drauf. Das ist offenbar noch verstörender, wie mir gesagt wurde. Adrian Schulz
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Das Mettwurstbrötchen
Mettwurst war der richtige Kompromiss für das Kindergartenbrötchen in den 60er Jahren. Mettwurst roch nicht so stark wie die pfälzische Leberwurst, mit der viele Altersgenossen im Kindergarten die Luft verpesteten. Mettwurst war auch nicht so teuer wie Schinken, den es bei uns damals nur am Wochenende gab. Mettwurst schmeckte salzig, rauchig, fett und lecker.
Die Bäckersfrau legte jeden Morgen die Brötchentüte vor die Mietshaustür. Das für den Kindergarten gedachte Brötchen wurde alsbald von der Mutter sorgfältig halbiert, dann kam dick Butter drauf, und zwar sowohl auf die eine als auch auf die andere Brötchenhälfte. Nun die Mettwurst drauf, nur auf die untere Hälfte, daher besonders dick, denn die Mettwurst war geschmacklich gewissermaßen für zwei Hälften zuständig. Die obere Hälfte draufgeklappt, fertig. Niemand dachte damals daran, eine Gurke oder eine Tomate dazwischenzuschieben, wozu denn auch?
Die Mutter schlug das Brötchen in Butterbrotpapier, dazu musste sie das Papier erst um das Brötchen wickeln und dann das Papier an beiden Enden zusammenfalten, sorgfältig, damit sich das Päckchen später nicht öffnete. Ich steckte das Brötchen in meinen kleinen roten Tornister. Dann stapfte ich an der Hand der Mutter in den Kindergarten. Wenn ich mich einmal wegschleichen könnte vom Kindergarten, vom schrecklichen Kindergarten, ganz allein, nur mit meinem Mettwurstbrötchen, dann hätte ich immerhin für einen Tag zu essen. Vielleicht sogar für zwei. So lange wäre ich frei. Es war ein schöner Gedanke. Barbara Dribbusch
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Die gesunde Graubrot-Stulle
Erst kam der Filterkaffe. Diese Brühe, die nach heißer Pisse schmeckt, aber einfach auf dem Schulhof dazugehörte. Espresso gab es damals nicht am Kiosk, stattdessen eben die Plörre in dem beigefarbenden Plastikbecher.
Dann kam das Butterbrot hinzu. In der Grundschule ging es noch: Da kam Nutella drauf, natürlich mit Butter. Und das war schon ein kleiner Skandal hier in Deutschland. Denn Nutella ist per se nämlich böse. Das hat der Teufel höchstpersönlich auf die Erde gebracht, um die Kinder zu vergiften. Zucker macht erst hysterisch und dann müde. Außerdem macht Zucker ja auch abhängiger als Heroin. Lieber eine gesunde Graubrotstulle mit einem leckeren veganen Brotaufstrich. Das Problem: So einen Scheiß gab es einfach nicht in Italien. Wer isst bitteschön morgens schon etwas Herzhaftes? Das ist gestört und kann nicht gesund sein.
Später auf dem Gymnasium brachten noch nur die Nerds oder die Ökos ihre eigenen Stullen von zu Hause mit – liebevoll garniert mit Bio-Gurke. Die „Coolen“ (das wurde damals noch so gesagt) kauften ihre Brötchen auf dem Schulhof.
Weiteres Problem: Marmeladen- oder Nutellabrot gab es nicht. Wieso eigentlich nicht? Haben die deutschen Anti-Zucker-Eltern dafür gesorgt? Die, die auch gegen Cola sind?
Es wurde aus der Not also Käsebrot – mit dick Butter, ein bisschen „Gürkchen“ und fett Remoulade. Lecker. Integration gelungen. Enrico Ippolito
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