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Tag der Staatlichkeit in BosnienGedämpfte Feierlaune

Die Neugründung Bosniens und Herzegowinas wird am 25. November begangen. Allerdings sind die Existenz und auch die demokratischen Grundsätze des Staates gefährdet.

Der am 21. November 1995 abgeschlossene Friedensvertrag von Dayton hat den Krieg 1992-95 beendet Foto: Ruthroff/picture alliance

Sarajevo taz | Sehen wir im heutigen Bosnien und Herzegowina schon in die Zukunft der Ukraine? Ist die weitergehende Zerstückelung des Staates Bosnien und Herzegowina die Blaupause für das, was der Ukraine droht?

Diese Frage stellen sich einige der Antifaschisten und Bürger, die sich zu der nichtnationalistisch denkenden Mehrheit der Bevölkerung zählen und sich an diesem Montag, dem 25. November, zu Tausenden unter den Bildern des damaligen Partisanenführers Tito und den bosnischen Fahnen in der alten Königsstadt Jajce eingefunden haben. Sie wollen des Tages der Neugründung des Staates Bosnien und Herzegowina 1943 gedenken.

Der US-amerikanische Botschafter Michael J. Murphy betonte die Bedeutung dieses Datums für die bosnische Geschichte. Der Demokrat, der vermutlich bald seinen Posten räumen muss, gehörte in letzter Zeit zu den wichtigsten Stützen der multinationalen Identität des Landes.

Alle Redner erinnerten an die Verfassung von damals (Zavnobih). In ihr wird die Gleichberechtigung aller Bürger des Landes, ob nun Serben, Kroaten, Muslime (Bosniaken), Roma, Juden und andere Minderheiten festgeschrieben. Es war eine moderne Verfassung, die der multinationalen und multireligiösen Republik Bosnien-Herzegowina eine Struktur gegeben hatte.

Angreifer werden belohnt

Erinnert wird jedoch auch daran, dass der am 21. November 1995 abgeschlossene Friedensvertrag von Dayton zwar den Krieg 1992-95 beendete, aber auch die territoriale Aufteilung des Landes akzeptierte und die Hälfte des Landes den damaligen Eroberern und militärisch stärkeren serbischen Angreifern überließ.

Die demokratischen Mächte der Welt, vor allem die damaligen Führer der USA und der EU, stimmten einem Vertrag zu, der die Kriegsverbrechen der ethnischen Säuberungen akzeptierte und die mit Verbrechen belasteten Angreifer belohnte. Und das, obwohl die militärischen Kräfteverhältnisse noch ganz anders verteilt waren als heute in der Ukraine.

Aber für die Mehrheit der Bosnier ist vor allem die eigene 1943er-Verfassung wichtig. Sie will wieder normale, staatliche Verhältnisse und einen demokratischen Rechtsstaat. Die Nationalisten dagegen tun alles, um rechtsstaatliche Verhältnisse zu zerstören. Deshalb ruhten immer wieder Hoffnungen auf dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg (EGMR).

Schon 2008/9 urteilten die Richter, die Verfassung des Landes entspreche nicht demokratischen Standards. Sie sagten zwar nicht explizit, die Dayton-Verfassung sei undemokratisch, aber das Urteil war auch eine Ohrfeige für die Institutionen der internationalen Gemeinschaft, die ja in Bosnien noch in den politischen Prozess eingreifen kann. Aber nichts geschah – bis heute nicht.

Kollektive Rechte

Auch jetzt steht wieder eine Entscheidung des EGMR an. Erneut werden individuelle Rechte der Bürger von Seiten der Nationalisten angegriffen. Da die bisherigen Urteile jeweils zu ihren Ungunsten ausgegangen waren, versuchen vor allem kroatische Nationalisten jetzt wieder die kollektiven Rechte von ethnisch definierten Volksgruppen zu betonen.

Dies hieße in Berlin, Türken haben nur das Recht, Türken zu wählen oder von Türken gewählt zu werden, jede Volksgruppe wählt ihre Repräsentanten. So wird versucht, die Volksgruppen in Bosnien unter nationalistischen Vorzeichen voneinander zu trennen.

Dieses Prinzip aber deckt sich nach den bisherigen sechs Urteilen des EGMR nicht mit europäischem Recht. Um sich dennoch durchzusetzen, versuchen jetzt kroatische Politiker alles, um diese Urteile zu kippen und lobbyieren in Brüssel und der EU. Kroatische Diplomaten versuchen bei jeder Gelegenheit zu betonen, die Kroaten in Bosnien seien eine von Muslimen unterdrückte Minderheit.

Sogar der zur Unparteilichkeit verpflichtete Hohe Repräsentant Christian Schmidt ließ sich vor den Karren der kroatischen Nationalisten spannen und wollte in Straßburg vor dem Gericht eine Stellungnahme im Sinne der kroatischen Extremisten abgeben. Er musste aber wegen Protesten aus dem Europaparlament davon Abstand nehmen.

Die Menschenrechtlerin Azra Zornić, die als Klägerin in ähnlicher Sache schon einmal einen Prozess in Straßburg gewonnen hatte, betonte, es gäbe Unregelmäßigkeiten im Vorfeld der jetzigen Entscheidung. So sei eine so fragwürdige Spende für das Gericht eingegangen, zusätzlich seien hoch bezahlte Rechtsanwälte aus den USA angeheuert worden.

Die Intellektuellenorganisation Krug 99 und ihr Präsident Adil Kulenović stellen sich hinter den Antrag des Politikberaters Slaven Kovačević und hoffen trotzdem auf einen Erfolg. Kovačević hatte bereits 2023 gegen das Wahlrecht geklagt und Recht bekommen. Vertreter des Ministerrats hatten dagegen Einspruch erhoben. Eine Anhörung vor dem EGMR am 20. November hat noch kein Ergebnis erbracht.

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