Vom 9. bis 13. April war Perugia Treffpunkt internationaler Medienschaffender, darunter viele aus den USA. Debattiert wurde unter anderem über Trumps neuen Umgang mit Medien, die „KI-Kaiser aus dem Silicon Valley“ und das verlorene Vertrauen in den Journalismus.
Ursprünglich sollte an dieser Stelle der Beilage ein Gastbeitrag aus dem Umfeld der New York Times stehen. Doch dort herrscht Zurückhaltung gegenüber öffentlicher US-Kritik. Diese Atmosphäre beschrieb Anya Schiffrin, Direktorin der Spezialisierung Technologie, Medien und Kommunikation an der Columbia University in New York: „Viele meiner Student*innen haben Angst, eine Petition zu unterschreiben oder gar zu twittern. Sie kommen zu mir ins Büro und fragen: ‚Was kann ich tun?‘ “
Schiffrins Antwort: Medien abonnieren, unabhängigen Journalismus finanzieren – „Kauf die New York Times!“ Die Medienvereinnahmung unter Trump und Elon Musk sei schlimmer als das, was sie in bisher drei Büchern zum Thema je geschrieben habe: „Es handelt sich um die vollständige Übernahme der Regierung durch Technofaschisten.“
„Technik ist nicht bloß eine Rubrik, sondern auch politisch“
Clayton Weimers von Reporter ohne Grenzen USA forderte angesichts der „existenziellen Bedrohung durch Big Tech“ ein Umdenken: „Technologie darf nicht bloß als Rubrik behandelt werden – sie ist eine politische Bewegung.“
Auch Courtney Radsch vom Center for Journalism and Liberty betonte, wie wichtig kritische Tech-Berichterstattung mit tiefgreifenden Fragen sei: „Wir sprechen zu wenig darüber, dass diese Titanen menschenfeindlich sind.“ Whistleblower Christopher Wylie nannte die „Tech Bros“ eine gefährliche Sekte mit unermesslicher Macht: „Im Silicon Valley wächst die Ideologie des Anti-Humanismus.“
Beilage Tag der Pressefreiheit 2025
Die Beilage der taz Panter Stiftung und Reporter ohne Grenzen zum Tag der Pressefreiheit 2025 finden Sie
Während Schiffrin beklagte, die USA hätten vor 20 Jahren versäumt, gute Regulierung zu schaffen, sah Radsch rechtliche Grundlagen durchaus vorhanden – sie müssten nur endlich durchgesetzt werden.
Werkzeuge wie Urheberrecht und Transparenzgesetze könnten helfen, die Macht der Techgiganten zu brechen. Dass Regulierung möglich sei, zeige das Beispiel Brasilien, wo der Oberste Gerichtshof 2024 die Plattform X zeitweise blockierte.
Maria Ressa: „Zuckerberg ist diktatorischer als Duterte“
In Perugia sprach auch die philippinische Friedensnobelpreisträgerin Maria Ressa, Mitgründerin des investigativen Mediums Rappler. Tech-Riesen wie Mark Zuckerberg seien größere Diktatoren als Duterte, so Ressa. Sie unterrichtet derzeit an der Columbia University und forderte mehr zivilgesellschaftliches Engagement – auch in Europa: „Wenn wir heute nicht handeln, werden wir morgen nicht zurückgewinnen, was wir heute verlieren.“ Gegen Desinformation empfahl sie: „Benenne die Lüge, bleib bei den Fakten, gib immer Kontext.“
Ermordet oder verhaftet, aber nicht vergessen
Seit 2015 sammeln Susanne Köhler und Gerhard Keller auf wahrheitskaempfer.de Porträts ermordeter und inhaftierter Journalist:innen aus aller Welt. Über 800 Bilder, ergänzt durch Informationen zu den Personen, erinnern an Opfer von Gewalt und Repression. So entstand ein einzigartiges Archiv weltweiter Unterdrückung der Pressefreiheit. Hier zeigen wir einige ausgewählte Porträts.
Pawel Grigorjewitsch Scheremet – 28. 11. 1971–20. 7. 2016: Er war ein regimekritischer belarussischer und später russischer Radio-, Fernseh- und Internetjournalist. In Belarus saß er zweimal im Gefängnis, ihm wurde die Staatsbürgerschaft aberkannt, worauf er für russische Medien arbeitete. Er starb in Kyjiw durch die Explosion einer Autobombe mußmaßlich des belarussischen Geheimdienstes.
Kunst:
Angelika Bomhard Wey
Rafael Murúa Manriquez – 1985-2019: Der mexikanische Reporter des Radiosenders Kashana in Santa Rosalina (Baja California Sur) berichtete über Menschenrechte, Umweltschutz und Kultur. Am 20. Januar 2019 wurde er entführt. Die Leiche des damals 34-Jährigen wurde bald darauf mit zahlreichen Stichwunden am Straßenrand zwischen Santa Rosalia und San Ignacio gefunden.
Kunst:
Johannes Stahl
Hero Bahadin – 1997–23. 8. 2024: Die irakisch-kurdische Videoredakteurin arbeite für Sterk TV, einem der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) nahestehenden Sender. Am 23. August 2024 wurde die 27-Jährige durch einen gezielten türkischen Drohnenangriff auf einer Straße östlich von Sulaymaniyyah in der Autonomen Region Kurdistan im Nordirak getötet.
Kunst:
Huriye Genc
Nanou Kazaku – Die Radiojournalistin aus Goma, der Hauptstadt der Provinz Nord-Kivu in der Demokratischen Republik Kongo, berichtete am 17. Februar 2021 über die gewaltsame Räumung von illegal besetztem Land und über eine Demonstration vor Ort. Die zum Teil bewaffneten Demonstranten lieferten sich Schusswechsel mit der Polizei, als Kazaku eine Kugel traf. Es blieb unklar, woher die Kugel abgefeuert wurde.
Kunst:
Verena Rossow
Adel Zourob -Der freiberufliche palästinensische Journalist arbeitete für mehrere Medien, darunter das der Terrororganisation Hamas nahestehende Al-Aqsa Voice Radio. Am 18. Dezember 2023 traf ein israelischer Luftangriff das Haus seiner Familie in Rafah im südlichen Gazastreifen. Der Journalist wurde zusammen mit 25 Familienmitgliedern getötet.
Kunst:
Patrick MacAllister
Maulana Siddique Mengal – Der pakistanische freie Journalist und Präsident des Khuzdar Press Club war in der Provinz Belutschistan auch Funktionär für die den Taliban nahestehende Partei Jamiat Ulema-e-Islam. Mengal wurde am Internationalen Tag der Pressefreiheit, dem 3. Mai 2024, von einer Explosion getötet, als er zur Moschee fuhr. Er ist der dritte ermordete Präsident des Khuzdar Press Club seit 2009
Kunst:
CUCULUM (Axel Kuckuk)
Ryan Evans – 1986–24. 8. 2024: Der walisische Brite arbeitete als Sicherheitsberater für Medien. Früher war er Soldat, dann wurde er Personenschützer für Diplomaten. Evans war einer von sechs Mitarbeitern der Nachrichtenagentur Reuters, deren Hotel in Kramatorsk (Ukraine) am 24. August 2024 von einer russischen Rakete getroffen wurde. Evans starb, zwei Kollegen wurden verletzt, davon ein Kameramann schwer.
Kunst:
Maria von Stülpnagel
Eduardo Sestoso – 1967–1. 5. 2018: Der philippinische Radiojournalist des Senders 91.7 FM in Dumaguete City im Süden der zentralen Insel Negros wurde auf dem Heimweg von der Arbeit von mehreren unbekannten Schützen angeschossen. Er überlebte nur noch einen weiteren Tag im Krankenhaus. Sestoso war der bereits neunte Journalist, der unter der Präsidentschaft von Rodrigo Duterte (2016–2022) ermordet wurde.
Kunst:
Christian Scharfenberg
Austin Bennett Tice – Der US-Amerikaner reiste im Mai 2012 31-jährig als freier Journalist nach Syrien. Er war einer der wenigen ausländischen Reporter, die während der Intensivierung des Bürgerkrieges vor Ort waren. Am 13. August 2012 wurde er nahe Damaskus entführt. Die US-Regierung nimmt an, dass er vom damaligen Assad-Regime oder von ihm nahen Gruppen entführt wurde. Seitdem bleibt er verschwunden.
Kunst:
Carole Isler
Jelena Milaschina – Die russische Investigativjournalistin der unabhängigen Zeitung Nowaja Gaseta setzte u.a. in Tschetschenien die Recherchen ihrer 2006 ermordeten Kollegin Anna Politkowskaja fort. 2006 wurde Milaschina im nordossetischen Beslan angegriffen, 2012 erneut nahe Moskau. Im Juli 2023 wurden Milaschina und ihr Anwalt kurz nach ihrer Ankunft in Grosny zusammengeschlagen und schwer verletzt.
Kunst:
Steff Murschetz
Romelson Vilcin war in Haiti Korrespondent für den Radiosender Génération 80. Am 30. Oktober 2022 forderte er mit anderen Journalisten vor dem Polizeirevier Delmas 33 in der Hauptstadt Port-au-Prince die Freilassung eines zu Unrecht inhaftierten Journalistenkollegen. Die Polizei versuchte, sie mit Tränengas und Schlägen zurückzudrängen. Ein Tränengasgeschoss traf Vilcin am Kopf. Er starb später im Hospital.
Kunst:
Susanne Köhler
Viktorya Roschtschyna – 1996–2024: Die ukrainische Journalistin berichtete aus Mariupol und Saporischschja. Als sie aus der russisch besetzten Ostukraine berichten wollte, wurde sie dort im August 2023 vom Geheimdienst FSB verhaftet. Russland erklärte sie sei im September 2024 gestorben. Die Leiche wurde im Februar 2025 von Russland übergeben, wies Spuren von Folter auf, und Organe waren entnommen worden.
Kunst:
Susanne Köhler
Serkan Sedat Güray – Der in der Türkei preisgekrönte Radiojournalist wurde 2016 festgenommen unter dem Vorwurf, auf Twitter Staatspräsident Erdoğan zu beleidigen. Güray bestritt dies und kam auf Bewährung frei. Im Februar 2017 wurde er erneut festgenommen wegen angeblicher Terrorpropaganda im Radio. Es dauerte allein 16 Monate bis zu einer Anklageschrift. Güray wartet in Haft immer noch auf ein Urteil.
Kunst:
Christina Hermann
Gemma Terés Arilla leitet die taz Panter Stiftung. Zuvor war sie taz-Auslandsredakteurin und stellvertretende Auslandsressortleiterin bis Ende 2023.
Dieser Artikel ist am 3. Mai 2025 als Teil einer gemeinsamen Sonderbeilage der taz Panter Stiftung und Reporter ohne Grenzen zum Tag der Pressefreiheit erschienen.
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