Tag der Pressefreiheit 2025: Im Exil bedrohte Töchter, in der Heimat verhafteter Vater
Ägyptische Journalisten sind im europäischen Exil nicht sicher. Angehörige werden in der Heimat bedroht und manchmal gar als Geiseln genommen.

Seit 2014 in Ägypten Abdel Fattah al-Sisi Präsident wurde, ist die Pressefreiheit dort weiter eingeschränkt worden. Das Land am Nil zählt zu den Ländern mit den meisten inhaftierten Journalisten weltweit. Derzeit sitzen 20 Journalisten im Gefängnis, davon warten 15 seit mehr als zwei Jahren in der Untersuchungshaft auf ihren Prozess. Doch verfolgen die ägyptischen Behörden auch Journalisten in Europa.
Im Juni 2024 nahm die nach Deutschland geflohene Journalistin Basma Mostafa an einem UNO-Programm für Menschenrechtsverteidiger in Genf teil. Als sie mit Kollegen in der Hotellobby saß, näherte sich ein Mann, stellte sich als Marokkaner vor und begann ein beunruhigendes Gespräch. Da sie seine Identität anzweifelte, forderte Mostafa ihn auf zu gehen und drohte, die Polizei zu rufen. Da ließ der Mann seine Fassade fallen, wechselte in einen ägyptischen Dialekt und warnte sie: „Ich kenne Sie, Sie sind Ägypterin, und ich bin Polizist und kann Sie auf der Stelle verhaften“, berichtete Mostafa. Da sei ihr klar geworden, dass sie vor einem weiteren Kapitel ihrer Verfolgung stehe, seit sie im Jahr 2020 mit ihrer Familie aus Angst vor Inhaftierung aus Ägypten geflohen sei.
Als Journalistin hatte Mostafa in Ägypten zahlreiche investigative Berichte verfasst, darunter einen wichtigen Artikel über den Mord an dem italienischen Doktoranden Giulio Regeni Anfang 2016 in Kairo. Laut der italienischen Regierung folterten und töteten ihn ägyptische Sicherheitskräfte. Nachdem Mostafa dreimal wegen ihrer Berichterstattung verhaftet worden und ständigen Drohungen ausgesetzt war, floh sie mit ihrem Ehemann und ihren Töchtern. In Deutschland glaubte sie, endlich in Sicherheit zu sein. Doch schon bald fühlte sie sich erneut verfolgt.
Internationale Verfolgung
„Ich wurde im Libanon, in Kenia, Deutschland und in der Schweiz verfolgt. Einmal ging es sogar so weit, dass man mir drohte, meinen Töchtern hier in Berlin etwas anzutun“, sagt Mostafa. Im Dezember 2024 äußerten fünf UN-Sonderberichterstatter in einem Brief an die ägyptische Regierung ihre Besorgnis über Mostafas „anhaltende Schikane und transnationale Unterdrückung“, darunter körperliche Übergriffe, Einschüchterung, Überwachung und versuchte Cyber-Hacking-Angriffe. Die UN-Sonderberichterstatter wiesen darauf hin, dass ihr Fall Teil eines systematischen Musters ist, das sich gegen Menschenrechtsverteidigerinnen in Ägypten richtet.
Die Beilage der taz Panter Stiftung und Reporter ohne Grenzen zum Tag der Pressefreiheit 2025 finden Sie
Im August 2023 verhafteten ägyptische Sicherheitskräfte den Vater von Ahmed Gamal Ziada, einem in Belgien lebenden Journalisten. Die Verhaftung erfolgte nur wenige Monate, nachdem Ziada das unabhängige Nachrichtenportal Zawia3 (Dritte Perspektive) gegründet hatte, das kritisch über Ägypten berichtet.
Die Verfolgung von Angehörigen im Exil lebender Journalisten und Dissidenten ist in Ägypten längst gängige Praxis. Laut Menschenrechtsorganisationen nutzen Sicherheitsbehörden Familienmitglieder als „Geiseln“, um von oppositionellen Aktivitäten im Ausland abzuschrecken oder um Vergeltung zu üben. Ziada hatte Ägypten im Jahr 2020 verlassen, nachdem er zuvor zu einer 17-monatigen Haftstrafe verurteilt worden war. „Mein Journalismus scheint sie verärgert zu haben, und da ich außer Reichweite war, wurde beschlossen, mich zu bestrafen, indem man meinen Vater verhaftete“, sagte Ziada. Sein Vater wurde nach einem Monat in Haft freigelassen, doch hörten die Schikanen nicht auf. So blockierten im vergangenen Februar Ägyptens Behörden ohne Gerichtsbeschluss den Zugang zu Zawia3 in Ägypten.
Joseph Kamel ist ein aus Sicherheitsgründen gewähltes Pseudonym. Der Autor hat bei Projekten der taz Panter Stiftung mitgewirkt.
Dieser Artikel erscheint am 3. Mai 2025 als Teil einer gemeinsamen Sonderbeilage der taz Panter Stiftung und Reporter ohne Grenzen zum Tag der Pressefreiheit.
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