: Tätersuche leichtgemacht
■ Weil er irgendwann als Anmelder einer Mittelamerika-Demonstration fungierte, landete ein Mann als angeblicher Farb-Attentäter auf Minister Warnke vor Gericht
Welchem Risiko Anmelder von Demonstrationen ausgesetzt sind, zeigte sich dieser Tage in einem Prozeß vor dem Amtsgericht. Ein Mitarbeiter von Radio 100 mußte sich dort wegen einer Farbaktion gegen den damaligen Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit Warnke, geschehen im Juni 1986, vor Gericht verantworten, weil er als Anmelder einer Mittelamerika -Demonstration in einem Polizei- undfe2/ oder Verfassungsschutzcomputer gespeichert und über diesen Weg als Tatverdächtiger ausgemacht worden war. Der Prozeß gegen ihn endete mit einem Freispruch.
Der Mann und die Frau, die damals anläßlich einer Feierlichkeit beim Deutschen Entwicklungsdienst (DED) in Kladow aus Protest gegen die Mittelamerikapolitik Warnkes ein Glas roter Farbe über den Minister gekippt hatten, waren unerkannt entkommen.
Die Ermittlungsbehörde folgerte kühn, daß die Täter nur aus dem Umfeld der Salvador- und Nicaragua-Komitees kommen könnten, und veranlaßte, daß ihr die Namen und Fotos von 14 Anmeldern von Mittelamerika-Demonstrationen der vergangenenJahre „dienstlich bekannt“ wurden.
Diese Fotos, eines davon zeigte den Mitarbeiter von Radio 100, Werner V., wurden den Zeugen der Farbaktion zur Identifizierung der Täter vorlegt. Daß zwei von fünf Zeugen vage glaubten, Werner V. als möglichen Täter wiederzuerkennen, reichte aus, um diesen zu einer Gegenüberstellung zu zitieren. Das Lichtbild von Werner V. noch frisch im Gedächtnis, war seine Wiedererkennung für die beiden Zeugen nunmehr ein leichtes, zumal er der einzige Langhaarige inmitten kurzgeschorener Polizisten war. Werner V. mußte wegen wegen versuchter Körperverletzung, Beleidigung und Sachbeschädigung auf die Moabiter Anklagebank.
Daß sein Verteidiger Matthias Zieger zu Beginn des Prozesses die Einstellung des Verfahren wegen Verbots der Verwertung der Beweismittel forderte, hinderte das Gericht nicht in die Beweisaufnahme einzutreten. Zieger hatte sich auf das Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts von 1983 berufen, in dem es heißt, daß die Daten von Personen - und so auch die von Demonstrationsanmeldern nicht zweckwidrig verwendet werden dürfen. Ohne diese Grundrechtsverletzung, so Zieger, wäre Werner V. niemals dem Risiko einer falschen Verdächtigung durch Zeugen ausgesetzt worden.
Das Gericht drückte sich jedoch auch in seinem Urteil um die Klärung der Frage des Beweisverwertungsverbots herum, indem es den Angeklagten aus Gründen unzureichender Identi fizierung freisprach. Der Staatsanwalt, der eine Strafe von 60 Tagessätzen a 30 Mark gefordert hatte, kündigte Berufung an.
Daß jeder, der eine Demonstration anmeldet, in eine ähnliche Situation kommen kann, wenn andere Leute später Aktionen zum gleichen Thema machen, zeigt zumindest die Rechtsauffassung des Sprechers des Datenschutzbeauftragten, Dix. Die Speicherung der Daten von Demonstrationsanmeldern in Polizeicomputern, so Dix auf Nachfrage der taz, sei möglich und nur durch ein neues Polizeigesetz zu verhindern. Die Weitergabe der Namen und die Heranziehung ihrer Fotos aus dem Personalausweisregister sei durch die Strafprozeßordnung - beim Verdacht strafbarer Handlungen können Polizei und Staatsanwaltschaft alle notwendigen Ermittlungsmaßnahmen veranlassen - gedeckt.
plu
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen