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Täter und Opfer zugleich

■ Straßennamen, 5. Folge: Georgi Dimitroff, Held des Reichstagsbrand-Prozesses und ergebener Vasall Stalins

Durch die geplanten Straßenumbenennungen im Ostteil der Stadt drohen Persönlichkeiten der Berliner Geschichte in Vergessenheit zu geraten. In einer Serie geht die taz der Frage nach, welche Schicksale sich hinter den Namen verbergen. Nach der Vorstellung von Hans Beimler am Samstag folgt heute Georgi Dimitroff.

Im Januar 1949 verschwindet Georgi Dimitroff spurlos aus Bulgarien. Erst kurz vor seinem Tod im Juli desselben Jahres teilt die Moskauer Zentrale mit, der Ministerpräsident befinde sich wegen einer schweren Krankheit in einem Moskauer Spital. Stalin habe ihn ermordet, lauten die Gerüchte nach Dimitroffs mysteriösem Tod. Aber vielleicht ist das genauso Legende wie die offizielle Biographie, die ihn zu einen mythologischen Halbgott überhöht. Seinen Platz im sozialistischen Walhalla erobert er sich im „Reichstagsbrand-Prozeß“.

Die Nationalsozialisten benutzen den Reichstagsbrand Anfang 1933, um die politische Opposition zu liquidieren. Dimitroff, der sich in Berlin aufhält, wird verhaftet und wegen „aufrührerischer Brandstiftung“ angeklagt. Mit ihm soll zugleich der „Weltkommunismus“ abgeurteilt werden. Doch Dimitroff dreht den Spieß um. Er macht den Gerichtssaal in Leipzig zur Bühne für eine Anklage gegen den Faschismus. Über Nacht wird er zum international gefeierten Helden. Das Verfahren wird aus Mangel an Beweisen eingestellt und Dimitroff nach Moskau ausgeflogen.

Jetzt beginnt der unaufhaltsame Aufstieg des 1882 in einem kleinen Dorf bei Sofia geborenen Handwerkersohns. Seine politische Karriere fängt 1919 als Gründungsmitglied der Kommunistischen Partei Bulgariens (KPB) an. Von Stalin protegiert, wird der „populärste Antifaschist der Welt“ zwei Jahre nach dem Leipziger Prozeß zum Generalsekretär der Komintern ernannt. Ein Posten, der Prestige, aber nicht Macht beinhaltet. Tatenlos erlebt Dimitroff, wie Tausende bulgarischer Exilkommunisten während der stalinistischen Säuberungswelle im Gulag verschwinden.

Dimitroff kehrt 1945 nach Bulgarien zurück. Doch die zwölf Jahre Moskau haben ihm endgültig das Rückgrat gebrochen, urteilt Georg Hermann Hobos, ein Überlebender der Säuberungswelle. Der „Held aller Antifaschisten“ habe sich zu einem „servilen Diener“ Stalins entwickelt. Die Moskauer Erfahrungen des neuen Ministerpräsidenten bekommt die bulgarische Opposition zu spüren. In einem Schauprozeß werden ihre Führer mundtot gemacht.

Trotz aller Gefolgsamkeit fällt Dimitroff bei Stalin in Ungnade. Mehr aus Naivität als aus politischer Opposition hält er seinem Freund Tito die Treue, obwohl Moskau den jugoslawischen Staatsführer zum Renegaten erklärt hat. Stalin schäumt und gibt Anweisung, alle „Titoisten“ zu vernichten. Kurz vor Beginn der Säuberungswelle verschwindet Dimitroff nach Moskau.

Nach seinem Tod erhält er noch eine seltene Ehrung: Als einziger osteuropäischer Staatsführer wird Dimitroff in einem Mausoleum in Sofia ausgestellt. In Berlin erinnert eine Straße in Prenzlauer Berg an den „großen Antifaschisten“. Olaf Bünger

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