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Tadschikische Teestube schließtSag zum Abschied leise Borschtsch

Vielen Berlinern galt sie noch als Geheimtipp, dabei stand sie längst in allen Reiseführern. Jetzt werden in der Tadschikischen Teestube die Samoware kalt.

Bild mit bald doppelt historischem Wert: Christian Wulff (Ex-Bundspräsident) in der Tadschikischen Teestube. Bild: dpa

Vor den weißen Flügeltüren im Palais am Festungsgraben ziehen sich schon die ersten Gäste die Schuhe aus. Es ist der zweite warme Tag im Jahr, und trotzdem hat es sich herumgesprochen: Die Tadschikische Teestube, die in den meisten Reiseführern angepriesen und doch noch immer bei vielen Berlinern als Geheimtipp gehandelt wird, macht zu. Es gilt, Adieu zu sagen, und daher nehmen es an diesem Wochenende viele auf sich, bei strahlendem Sonnenschein in einem geschlossenen Raum heißen Tee mit Rum oder Wodka zu trinken.

Alle Tische sind belegt. Zwischen den handgeschnitzten Sandelholzsäulen und unter Bildern aus der Märchenwelt Tadschikistans lümmeln sich junge Familien mit Kindern. Auch ältere Damen und Herren haben es sich barfuß oder in Socken an den niedrigen Tischen mit den bunten Kissen und Decken gemütlich gemacht. Wir bestellen - was sonst? - ein letztes Mal die russische Teezeremonie. Schade, dass man an einem Nachmittag nicht vier verschiedene Tees auf einmal kosten kann, schade, dass es noch zu früh ist für Pelmeni oder Piroggen, Borschtsch oder Soljanka, denn all das steht hier ebenfalls auf der Karte.

Es dauert fast eine Dreiviertelstunde, bis der Tee kommt: Zeit genug, sich umzuhören. Temo, ein junger Kellner aus Mexiko, arbeitet seit sechs Jahren hier. "Es hat mir sehr gefallen", sagt er. "Ich habe gelernt, Tee zu kochen und Deutsch zu sprechen", fügt er an. Keine Frage, wie sehr er es bedauert, dass die Teestube schließen muss, ein Ort mit so viel Geschichte.

Vor 38 Jahren, im Jahr 1974, wurde das Etablissement im sowjetischen Pavillon auf der Leipziger Messe präsentiert und anschließend der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft übergeben. Die baute die Teestube in ihr Palais im Kastanienwäldchen zwischen Maxim-Gorki-Theater und Neuer Wache ein, dem einstigen Preußischen Finanzministerium. Die Teestube war einer der wenigen Orte in der Gegend, wo man stilvoll verweilen konnte - am schönsten war es vielleicht bei sibirischem Wetter an einem Januarabend, nach einem Winterspaziergang Unter den Linden, mit völlig durchgefrorenem Familienbesuch.

Doch damit ist es jetzt vorbei, das Palais am Festungsgraben soll saniert werden. Es heißt, der Mietvertrag mit der Berliner Immobilienmanagement-Gesellschaft (BIM) sei nicht verlängert worden - die BIM hingegen behauptet, die Teestube habe gekündigt und es sich zu spät anders überlegt. Eine Stellungnahme der Chefin Charikleia Cinari ist in diesen Tagen nicht mehr zu bekommen. Fest steht nur, dass die Sandelholzsäulen in der Teestube nicht einfach herausgerissen werden können, denn wie alles im Palais stehen sie unter Denkmalschutz. Vielleicht wird es neue Betreiber geben. Vielleicht werden die alten Betreiber auch einen anderen Ort für eine andere Teestube finden. Ob die an den leicht abgewetzten Charme dieses alten Orts heranreichen könnte?

An einem der kleinen Tische sitzen zwei Freundinnen im Schneidersitz, beide in den Sechzigern. Sie haben heute den "Five O'Clock Tea" gewählt, schwarzen Tee mit Sahne, Orangen- und Ingwermarmelade, Lemon Cheese, Gebäck und Toast. Sie stellen sich als Malerin und Ärztin vor. Seit den 60er Jahren leben sie in Berlin, haben die Teestube gleich nach der Wende entdeckt, sich oft hier getroffen und finden, es sei "eine Schande", dass es hier nicht weitergeht.

An einem der anderen Tische mit Stühlen sitzt ein älteres Paar vier jüngeren Leuten. Einer der beiden Söhne feiert gerade seinen Geburtstag hier. Der Vater ist bass erstaunt, als er erfährt, dass die Teestube schließen wird. Er war zum ersten Mal 1975 hier, in seinem "anderen Leben", wie er sagt.

Marmelade in den Tee

Aber da kommt sie ja endlich, unsere russische Teezeremonie. Auf einem großen, blanken Samowar sitzt ein kleines Kännchen mit Teesud. Dazu werden verschiedene Sorten Zucker gereicht, die aber, wie Temo uns streng erklärt, kein Kenner in seinen Tee rühren würde. Dafür nimmt man die Himbeermarmelade, die das Getränk nicht nur süßt, sondern auch ein wenig säuert. Wir trinken den eiskalten Wodka vorneweg und knabbern glücklich, aber auch etwas wehmütig die Kekse, Rumrosinen, das Orangeat oder Zitronat zum Tee. Ernsthaft ziehen wir in Erwägung, noch einmal zu kommen. Vielleicht am letzten Abend, am heutigen Montag, wenn es noch einmal Märchenstunde gibt.

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4 Kommentare

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  • R
    Russin

    An die des Russischen unkundige taz-Redaktion:

    на здоровье heißt "Prost" ; "Zum Wohle!" und wird gesagt, wenn etwas getrunken wird.

     

    Ich gehe davon aus, dass Borschtsch gelöffelt und NICHT (wie bei der taz?) getrunken wird.

     

    Bei der taz kann ich (als Leserin der taz) erwarten, dass sich VOR dem Schreiben sachkundig gemacht wird. Offenbar ist das von der taz nicht geschehen, wenn die Redaktion на здоровье schreibt und Borschtsch mit Wodka 'verwechselt'!

  • B
    berndo

    Tadschikische Teestubensäulen unter Denkmalschutz - da kann ja das White Trash hinziehen.

  • E
    Exiltadschike

    Gaanz tolle Überschrift, Frau Messmer.

    Borschtsch stammt aus dem Westen Russlands bzw. der Ukraine und nicht aus Tadschikistan.

    Auf Wienerschnitzel

    Lieber Exiltadschike, die Überschrift stammte nicht von Susanne Messmer, sondern vom diensthabenden Redakteur am Sonntag. Und auch wenn Borschtsch kein tadschikisches Gericht ist - es wird (wurde) in der Teestube angeboten, was der Artikel ja auch erwähnt. на здоровье, d. Red.

  • B
    Benjamin

    Wie traurig, in der Teestube sass ich zu Studienzeiten auch gerne mit Freunden zusammen... Einer der wenigen Orte, wo man überhaupt guten Tee statt immerzu nur "Cappuccino" und "Latte Machiato" bekam... So geht's dahin, das alte Berlin, wirklich schade.