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Tach auchKarstadt muß man auch mal loben

■ Die neue kleine sowie verspätete Montagskolumne der taz / 20. Versuch

Ich muß mal Karstadt loben. Wenn Deutschland eine Dienstleistungswüste ist, dann ist Karstadt eine Dienstleistungsoase. Bestimmt muß jeden Morgen das Personal im Sozialraum antreten und hundert mal singen: Ob er muffelt oder müffelt, ob er meckert oder kleckert, ob er quatscht oder grapscht, ob er flippt, sich übergibt – der Ku-huhunde ist Köhöhönig, halleluja amen! Und dann wird Unterarmspray ausgegeben, und der Chef erzählt einen Witz, der so lustig ist, daß man bis Ladenschluß am Stück lächeln muß.

Liebe müffelnde Meckerziegen, liebe quatschende Grapschferkel! Testet die Dienstleistungsoase! Ich habe mal einen äußerst unzugänglichen und unerhältlichen Gummidichtring verloren. Bei Karstadt strahlt mich eine Endfünfzigerin an, tritt an ein Regal, puhlt den Gummidichtring aus einer Kaffeemaschine, reicht ihn mir mit einem Lied auf den Lippen (Der Kuhuhunde...) und sagt: „Aber ich bitte Sie, kein Geld!“ Einmal, letzten Sommer, habe ich ein älteres Barometer zurückgebracht, das immer nur Regen vorhersagte. „Geld zurück, mein Herr? Kein Thema!“ Gewinnendes Lächeln. An manchen Tagen gehe ich mies gelaunt nach Karstadt und hol mir gratis zwei drei Lächeln ab. Danach steh' ich im Regen und lächele wie ein Blöder. Doch! Wirklich wahr.

Blöd ist nur eins: Ich kriege einfach nicht raus, ob die lächelnden Karstadt-Kassiererinnen heimlich darunter leiden, daß ich niemals den Kassenbon annehme, den sie mir immer so freundlich anbieten. Deshalb hier die Frage: Kennt jemand eine Karstadt-Kassiererin so privat, daß er sie mal privat fragen kann, ob sie unter der Zurückweisung des immerhin mühevoll erstellten Kassenzettels leidet? Ganz tief innen?

Burkhard Straßmann

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