TV-Serie „Lilyhammer“: Sprachverwirrung in Lillehammer
Bei Arte startet „Lilyhammer“, die Geschichte eines US-amerikanischen Mafioso im Zeugenschutz. Der Witz fehlt aber.
Dass Netflix weiß, wie gute Serien funktionieren, hat der Streamingdienst mit „House of Cards“ und „Orange is the new black“ bewiesen. Noch bevor die beiden Erfolgsshows allerdings gestartet sind, produzierte das US-Unternehmen „Lilyhammer“, zusammen mit dem staatlichen norwegischen Fernsehen.
Die erste Staffel der humoristischen Serie läuft ab heute erstmals im deutschen Free-TV, auf Arte. Auf dem Donnerstagsabend-Sendeplatz werden seit Jahren hochwertige Serien ausgestrahlt. Ein Schönheitsfehler trübt jedoch die Freude: Arte zeigt die deutsche Version. Damit geht der eigentliche Witz der Serie verloren.
„Lilyhammer“ handelt vom New Yorker Mafioso Frank Tagliano, der seinen Boss mehr aus Notwehr als aus Überzeugung ans FBI verrät. Er kommt in ein Zeugenschutzprogramm und muss sich eine neue Existenz an einem selbstgewählten Ort aufbauen. Frank entscheidet sich für die norwegische Kleinstadt Lillehammer, weil er die von den Olympischen Spielen 1994 kennt.
Die Leute dort führen ein unaufgeregtes Leben. Alte Mafia-Gewohnheiten, die Frank nicht so einfach abstreifen kann, sind ihm behilflich, um in Rekordzeit vom arbeitslosen Migranten zum coolen Barbesitzer aufzusteigen. Den hoffnungslosen Fällen verschafft er Jobs, und eine Geliebte findet er auch. Trotzdem kann er seine Finger nicht von kriminellen Geschäften lassen, sodass er Probleme mit den örtlichen Beamten bekommt.
Donnerstags, 21 Uhr, Arte.
Glänzender Steven Van Zandt
Die Serie lebt einerseits von der Ausstrahlung des amerikanischen Hauptdarstellers Steven Van Zandt – eigentlich Musiker, doch seit seiner Mitwirkung bei den „Sopranos“ als Mafiadarsteller eingeführt –, der mit seinen pointierten Grimassen eine Karikatur vom Mafioso liefert.
Ihm gegenüber steht der norwegische Cast, eine skurrile Auswahl von Typen, von denen jeder einzelne tragikomisches Potenzial besitzt: vom Loser-Polizisten, der gerne als Elvis auftritt und in Frank einen Schläfer und Dschihadisten vermutet, über den glitschigen Arbeitsvermittler, der Migrantinnen betatscht, zum Langzeitarbeitslosen, den Frank zu seiner rechten Hand im Club macht.
Drei Staffeln gibt es bereits, in den USA und Norwegen waren sie erfolgreich. Die Serie lebt von dem skurrilen Clash der Kulturen, der sich auch darin zeigt, dass die Erzählung permanent zwischen Englisch und Norwegisch springt. Und Arte? Sendet sämtliche Dialoge – abgesehen von der Pilotfolge, in der die ersten für Frank fremd klingenden norwegischen Laute noch untertitelt werden – auf Deutsch.
Das ist nachvollziehbar, ist der Fernsehzuschauer hierzulande doch daran gewöhnt, ausländische Filme mundgerecht synchronisiert vorgesetzt zu bekommen. Im Original sprechen die Norweger zwar in Franks Gegenwart Englisch, jedoch fallen sie immer wieder, vor allem in überraschenden Situationen, ins Norwegische zurück. Wenn Frank ihnen mit leerem Gesichtsausdruck zuhört, ist das witzig und authentisch.
Solche Zwischentöne gehen in der deutschen Fassung unter, womit weniger Inhaltliches als ein erheblicher Teil des Charmes der Serie verloren geht. Ein sinnvoller Kompromiss wäre gewesen, die englischen Dialoge deutsch zu synchronisieren und die norwegischen, wie in der englischen Fassung, untertiteln zu lassen. Dem Puristen bleibt nur der Griff zur DVD mit der Originalfassung.
Die jüngere Generation der Zuschauer, die gewohnt ist, Serien in der Originalfassung im Netz zu sehen, wird Arte mit dieser Strategie nicht gewinnen können. Trotzdem: „Lilyhammer“ bleibt auch in dieser „vereinfachten“ Variante sehenswert, weil sein originelles Serienkonzept, das europäische und amerikanische Qualitäten zusammenbringt, noch durchscheint.
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