TV-Duell der US-Vizekandidaten: Überraschend respektvoll
Die US-Vizekandidaten Tim Walz und J.D. Vance zeigten: Wahlkampf geht auch ohne persönliche Angriffe. Das ist eine erfrischend positive Entwicklung.
E mpörend war die TV-Debatte von Tim Walz und J. D. Vance, den beiden Vizepräsidentschaftskandidaten in den USA, nicht. Leider ist das eine Meldung. Im Journalismus gibt es einen Grundsatz, der entscheidet, wann eine Meldung Nachrichtenwert hat: „Hund beißt Mann“ ist keine News, „Mann beißt Hund“ hingegen schon. Das eine passiert oft; es ist der umgefallene Reissack in China. Das andere ist überraschend. Dass das, was lange nicht meldenswert gewesen wäre, zur Nachricht werden kann, zeigte das TV-Duell der US-Vizekandidaten.
Die News nach diesem Schlagabtausch ist: Die beiden sind sich respektvoll begegnet. Vance und Walz hören einander zu, gehen aufeinander ein. Sie verkrampfen sich nicht darauf, dem anderen zu widersprechen, bauen Brücken, statt sie niederzureißen. Es geht um Abtreibung, Bildung, Gesundheit, Energieversorgung, Wohnungsbau, kurz um den Nahostkonflikt, sonst reicht die Debatte nur bis zu den US-Außengrenzen.
Vance begegnet Walz mit sichtbarer Empathie, als der demokratische Vizeanwärter erzählt, dass sein Sohn Zeuge eines Amoklaufs war. Walz wiederum stimmt Vance immer wieder in Teilaspekten zu. Zuschauende sehen das, was man in diesem Wahlkampf um den Einzug ins Weiße Haus bisher vermisste: Menschlichkeit und Empathie.
Nachdem sich Joe Biden nach dem TV-Duell gegen Donald Trump als Präsidentschaftskandidat zurückgezogen hatte und die demokratische Kandidatin Kamala Harris und der republikanische Ex-Präsident Trump vor drei Wochen in ihrem Schlagabtausch aneinander vorbeiredeten, überraschen die US-Vizekandidaten in ihrer TV-Debatte mit Sachlichkeit und aktivem Zuhören. Ohne hochgezogene Augenbrauen, ohne persönliche Angriffe. Getrübt wurde das TV-Duell nur von Trump, der auf seiner Plattform Truth Social gegen Walz wetterte.
Beide Vizekandidaten überzeugten damit, dass sie nicht versuchten, den anderen als Verlierer darzustellen, sondern mit kluger Rhetorik darauf konzentriert waren, die Wähler von der eigenen Kompetenz zu überzeugen. Erfrischend und abweichend ist das in einer politischen Landschaft, die so verhärtet erscheint.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Bundestag bewilligt Rüstungsprojekte
Fürs Militär ist Kohle da
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht räumt Irrtum vor russischem Angriff ein
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren