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TV-Duell Vizekandidaten der USABiden beißt zu

Im Gegensatz zu Barack Obama hat dessen Vize Joe Biden seinen Konkurrenten Paul Ryan in einem TV-Duell hart angegriffen. Der Republikaner rede „Quatsch“, sagte Biden.

War – wie man sieht – präsent und zeigte Temperament: US-Vize-Präsident Joe Biden. Bild: dpa

WASHINGTON afp | Bevor sein Vizepräsident Joe Biden in den Ring stieg, haderte Barack Obama noch mit seinem eigenen missglückten Auftritt im Fernsehduell gegen Herausforderer Mitt Romney. „Ich war einfach zu höflich“, sagte der Präsident in einem Radiointerview. Diesen Vorwurf muss sich Biden nach der TV-Debatte gegen Romneys „running mate“ Paul Ryan nicht machen.

Der Vizepräsident griff die Politik des republikanischen Präsidentschaftsduos am Donnerstagabend scharf an, unterbrach sein Gegenüber immer wieder, nannte Ryans Aussagen „Quatsch“. Damit gab er der Obama-Kampagne Selbstvertrauen zurück. In dem 90-minütigen Schlagabtausch am Centre College in der Kleinstadt Danville im Bundesstaat Kentucky stritten der 69-jährige Biden und der 27 Jahre jüngere Ryan über die Krisenherde der Welt und die wirtschaftlichen Probleme in der Heimat.

Wie Obama bei seinem Duell mit Romney am vergangenen Mittwoch warf Biden den Republikanern vor, mit ihrer Politik einen sozialen Kahlschlag zu betreiben – nur zeigte der Vizepräsident dabei viel mehr Temperament. „Sie nehmen die Mittelschicht als Geisel, um die Steuern für die Superreichen zu senken“, ging Biden seinen Gegenüber an.

Dieser konterte, die republikanischen Pläne würden zu mehr Wachstum und Jobs führen. Außerdem bestritt er eine Entlastung der Reichen auf dem Rücken von Haushalten mit mittleren Einkommen. Anders als sein Chef nahm Biden die umstrittene Aussage Romneys über die „47 Prozent“ der Wähler ins Visier, die wegen ihrer Abhängigkeit vom Staat ohnehin für Obama stimmen würden. „Diese Leute sind meine Mutter und mein Vater, meine Nachbarn“, sagte er. „Sie zahlen mehr Steuern als Gouverneur Romney.“

Auf persönliche Attacken verzichtet

Obama hatte sich aus den eigenen Reihen Kritik anhören müssen, weil er in seiner Debatte auf persönliche Attacken auf Multimillionär Romney verzichtete. Immer wieder brach Biden bei den Ausführungen seines Kontrahenten in Gelächter aus, zwischen den Lippen blitzten seine strahlend weißen Zähne hervor. Biden wirkte wie ein erfahrener Onkel, der sich über die naive Weltsicht seines jugendlichen Gesprächspartners amüsiert – was ihm prompt den Vorwurf der Arroganz einbrachte. "Grinsend, spottend, unreif", twitterte Romneys Berater Eric Fehrnstrom.

In der Außenpolitik lobte Biden den Präsidenten dafür, die USA während seiner ersten Amtszeit mit „ruhiger Hand und klarer Vision“ geführt zu haben. Obama habe sein Versprechen gehalten, den Krieg im Irak zu beenden – und Al-Kaida-Chef Osama bin Laden zur Strecke gebracht. Ryan warf der Regierung dagegen eine „außer Kontrolle geratene“ Außenpolitik vor, die den Stand der USA in der Welt geschwächt habe. Als Beweis führte er den tödlichen Angriff auf das US-Konsulat im libyschen Bengasi vom 11. September an.

Während Biden die scharfe Rhetorik des republikanischen Präsidentschaftsduos im Atomstreit mit dem Iran kritisierte und vor „einem weiteren Krieg“ warnte, prangerte Ryan die Untätigkeit Obamas an. Die iranische Führung sei der Atombombe in den vergangenen vier Jahren näher gekommen, sagte er.

Romney im Aufwind

Auch beim gesellschaftlichen Reizthema Abtreibung gerieten die beiden Katholiken Biden und Ryan aneinander. „Ich glaube, dass das Leben zum Zeitpunkt der Zeugung anfängt“, bekräftigte der Republikaner seine Ablehnung von Schwangerschaftsabbrüchen. Biden entgegnete, der Staat könne Frauen nicht vorschreiben, „dass sie keine Kontrolle über ihren Körper haben“.

Nach Obamas mauer Debattenleistung sahen Meinungsforscher Romney im Aufwind - der Republikaner wandelte einen deutlichen Rückstand in landesweiten Umfragen in einen knappen Vorsprung um. Nun könne das Obama-Lager das Gefühl haben, dass es wieder aufwärts gehe, sagte Dotty Lynch, Professorin für politische Kommunikation an der American University.

„Vizepräsident Biden war viel leidenschaftlicher und aggressiver als Präsident Obama vergangene Woche.“ Für eine Trendwende müsste Obama aber noch selbst liefern – kommenden Dienstag, beim zweiten TV-Duell mit Romney, ist die Gelegenheit.

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5 Kommentare

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  • GF
    Gerda Fürch

    Vera Gehlkiel, mit Vergnügen und Zustimmung habe ich eben Ihren Kommentar gelesen. Ihre Wahrnehmungen aus dieser sehr lebendigen Debatte kann ich teilen.

     

    Gerade die so sehr von den Medienvertretern (BBC, CNN, Phoenix und ZDF) kritisierten vielen Unterbrechungen, die ich eigentlich gar nicht schätze, weil in den deutschen Talkshows stets mit Polemik und "Killerphrasen" unterbrochen wird und eben nicht mit zusätzlichen Informationen, durch Joe Biden haben die Debatte so lebendig gemacht. Die wirklich gute Moderatorin Martha hat sich nicht erschüttern lassen, nicht staunend aus ihrem Konzept bringen lassen, sondern blieb hartnäckig durch nachhakende Fragen und leitete dann zielstrebig zum nächsten Thema über. So kenne ich auch Französinnen bei der Moderation von Diskussionen auf "arte".

     

    Die simultan übersetzenden DolmetscherInnen kamen gar nicht mit bei der Schnelle und Intensität des Schlagabtauschs und zeigten nicht die ausgezeichnete Professionalität wie Nicole "Dingsbums" bei der UNO in "Die Dolmetscherin" (war ja auch "nur" ein Film und keine Dokumentation).

     

    Ich hoffe, daß die Leserschaft der taz die von Ihnen geschilderte Wahrnehmung der Debatte gut nachvollziehen kann und teilt.

  • VG
    Vera Gehlkiel

    Ich fand Biden keineswegs unsympathisch, im Gegenteil. Sein Lachen und das wiederholte Einbeziehen der Moderatorin so, als sässe man zusammen am Kamin ("Martha, glauben sie mir...") brachten die notwendige Ironie und Distanz zu der enormen Künstlichkeit dieser Situation.

     

    Biden überzog hier nicht, wenn nötig, waren seine Argumente stets auf dem Punkt. Er wirkte auch emotional und berührbar. Einige Male, so beim Thema Afghanistan, zerstörte er schlicht die Möglichkeit des Zuschauers, sich Ryans wenig authentisches Daherleiern weiter anzuhören, durch lautstarke Interventionen, welche die Argumente des Gegners förmlich hinwegfegten.

     

    Die Bezugnahme auf Ryan als "...mein Freund hier" schaffte die Illusion von Offenheit. Biden zeigte: ich bin sogar der Vizepräsident für diesen verstockten jungen Typen hier, und ich nehme diejenigen, die seine etwas kurzsichtigen Sorgen teilen, durchaus sehr ernst.

     

    Für mich war die Botschaft eindeutig: hie der erfahrene und in der Verantwortung stehende Staatsmann, dort der zwar bemühte, aber viel zu grünschnabelige Eleve, der vielleicht in zwanzig Jahren nochmal vorsichtig anklopfen kann. Was Biden vor allem gelang, und das war auch am wichtigsten: Die Leute, die es gesehen haben, vergassen Romney für die Dauer der Debatte. Biden brachte sie dazu, sich tatsächlich mal mit Paul Ryan näher zu befassen, was bedeutet: mit dem Team um Romney.

     

    Ryan konnte seine Kleinkariertheit, den Mangel an tatsächlichen Alternativen in seinem Lager, im Grunde die fortbestehende und tiefe Spaltung der Republikaner(eine Analogie zu schwarz-gelb hierzulande) keinesfalls übertünchen. Es wird hart werden, wenn die Republikaner zurückkommen, hart nach innen, hart nach aussen. Hart für alle, ausser für Reiche. Und ungerecht, schon alleine wegen dieser Spaltung, die stets nur Minimalkonsense und das "Wirken der harten Hand" erlauben wird.

     

    Ohne den beständigen rauhen Wind und die Suggestion einer Front, an der man im Überlebenskampfe steht, wird das republikanische Projekt aufquellen und auseinanderfallen wie ein Kuchenteig, dem man zu reichlich Treibmittel zugeführt hat.

     

    Natürlich hat Joe Biden ganz recht, wenn er nochmal kurz den unseligen George W. Bush heraufbeschwört. Ob es nützt, wenn Ryan sich da auf Ronald Reagan beruft? Wohl weniger.

     

    Bei der Aussenpolitik wurde klar, dass Biden ein Mann ist, der eine tatsächliche Machtfülle repräsentiert. Er sprach hier von sich selbst, nicht von Obama. Benjamin Netanjahu wurde zu "Bibi". So nennt ihn offenbar jeder, nicht nur seine Frau. Wer weiss denn, ob es stimmt? Eine Richtigstellung durch den Israeli steht nicht zu erwarten.

     

    Der amerikanische Zuschauer wird wohl mehr als der deutsche davon geprägt sein, dass ein Regierungschef tatsächlich durch Gewalteinwirkung ausfallen könnte, und er sah diese beiden Männer und konnte sich zwischendurch der Vorstellung hingeben, wie es sein würde, erhielte einer von ihnen die ganzen Schlüssel und Codes und müsste in einer Lage wie 9/11 einen kühlen Kopf bewahren.

     

    Ich glaube nicht, dass irgendjemand, der das Fernsehduell gesehen hat, die Vorstellung, Paul Ryan müsste in einer existentiellen Krise plötzlich das Ruder übernehmen, als sehr beruhigende Option empfand.

     

    Auch, wenn dem Präsidenten nichts passiert, ist sein Vize ein bedeutender Weichensteller, Gesprächspartner und Einflussnehmer, Biden reklamierte dies eindeutig. Er sagte auch: selbst, wenn Obama mal schwächelt, dann bin ich ja noch da, Freunde, ich sorge schon dafür, dass bei uns nichts anbrennt, dass der einfache Mann repräsentiert wird durch die Politik der Demokraten, dass Meinungsvielfalt und Gesprächskultur nicht nur hohle Phrasen sind.

     

    Meines Erachtens gelang es Ryan nicht im geringsten, solch eine tragende Rolle für sich in Anspruch zu nehmen. Er wies dies fast schon von sich, berief sich mehrmals nur auf Romney, dessen Abwesenheit jedem Republikaner dadurch nur umso schmerzlicher ins Bewusstsein treten musste.

     

    Was die Show angeht: Jeder, der hier unter Angela Merkel lebt, und früher unter Kohl lebte, der hiesigen Politkitsch in Talkrunden und überinszenierten Fernsehduellen ertragen muss, und erfährt, wie entscheidend Meinungsbildend solche Debatten sich auswirken, der sollte über die Amis mal nicht zu sehr die Nase rümpfen.

     

    Ich fand "Martha", trotzdem ihr offenkundig ein paar Unglücke bei Schönheitsoperationen widerfahren sind, fragetechnisch eine Offenbarung, verglichen mit, etwa, einem Plasberg oder einer Illner. Und die Illusion, all das ginge uns nichts an, weil es es ja nur die verrückten Amis sind, die wir aus dem Kino kennen, hilft erst recht nicht. In einer Welt, in welcher die Globalisierung nicht erst ansteht, sondern schon längst eine altbekannte Tatsache darstellt, ist die Wahl dort drüben auch ganz und gar die unsere.

  • D
    Dante

    Wie Helmut Kohl schon zu seiner Zeit gern sagte: "Sollen die anderen die Umfragen gewinnen, ich möchte lieber die Wahl gewinnen", so sehe ich auch, dass man die Umfragen nicht überbewertet sollte.

    Die meisten AmerikanerInnen interessieren sich kaum für die Außenpolitik und wahlentscheidend sind die "Swing State".

    Obama hatte zwar bei der ersten TV-Debatte nicht geglänzt, aber er wurde nicht argumentativ von Romney geschlagen. Man hatte halt mehr von Obama erwartet. Bin auf die zweite Debatte am Dienstag gespannt..

  • L
    Lena

    Hatte Biden einen Clown gegessen? Der Typ kam absolut unsympathisch rüber!

  • S
    schade

    Ich schlage vor, daß der amerikanische Schwachsinn fortan ignoriert wird.

     

    Wir haben schließlich wichtiges vor.

     

    Die Amerikaner können sich selbst abschaffen, wenn sie wollen.

    Sie sind auf dem besten Weg dahin.

     

    Schade.