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TV-DramaTeufelskreis der Ehre

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Mit "Im Schatten der Blutrache" zeigt die ARD ein beklemmend intimes Porträt einer kurdischen Familie

Evelyn am Tag ihrer Hochzeit mit Bräutigam und Gülnaz Bild: swr/stefan reiss filmgmbh

N ach 22 Jahren Ehe lässt sich die Deutschkurdin Gülnaz von ihrem herrschsüchtigen Mann scheiden. Dass es Gülnaz gelang, mit ihrer Fahrschule erfolgreich auf eigenen Beinen zu stehen, hatte dieser nicht verkraftet, er hatte sie geschlagen und terrorisiert. Bis hierhin könnte es eine alltägliche Geschichte sein, doch das eigentliche Drama beginnt erst nach der Scheidung. Denn der kurdische Mann, der sich durch die Trennung in seinem Stolz gekränkt fühlt, lässt Gülnaz nicht in Ruhe, er stellt ihr nach und bedroht sie.

Hier kommen nun Gülnaz Brüder ins Spiel, die sich hinter sie stellen. Eines Tages, als sich ihr ältester Bruder Adil am Bahnhof von Osnabrück zu einer Aussprache mit dem Exmann treffen will, wird auf ihn geschossen. Er überlebt den Anschlag nur, weil er zu dem Treffen vorsorglich eine schusssichere Weste trug. Spätestens seit diesem Tag herrscht zwischen den beiden Familien, die einst durch die Ehe verbunden waren, eine Blutfehde. Als Gülnaz jüngerer Bruder eines Tages einem Neffen ihres Exmanns begegnet, der an der Schießerei beteiligt gewesen sein soll, streckt er ihn mit einer Pistole nieder, die er seit diesem Tag immer bei sich trug.

Den beiden Filmemacherinnen Hilde Matthes und Andrea Schramm ist ein beklemmend intimes Porträt einer Familie gelungen, die in einem Teufelskreis fataler Vorstellungen von Stolz, Ehre und Männlichkeit gefangen ist. Sie besuchen die 39-jährige Gülnaz, die nun allein mit ihren Kindern lebt, zu Hause, den jüngeren Bruder Zalim, der wegen der Mordtat einsitzt, im Gefängnis, und auch den älteren Bruder Adil, der sich seither nicht mehr aus dem Haus wagt: Er fürchtet, die Familie seines Exschwagers könnte Vergeltung üben und ihm nachstellen.

Zwar kommt nur eine Seite des Konflikts zur Sprache, weil die Familie des Exmanns jede Zusammenarbeit verweigert hat. Dennoch zeigt der Film, wie das patriarchale System der Ehre nicht nur die Frauen, sondern auch die Männer gefangen hält. Manchmal hält sich die Kamera allzu lange am exotischen Zeremoniell von kurdischen Hochzeiten auf. Doch auch so wird deutlich, wie überkommene Vorstellungen von Familienehre auch unter Einwanderern, die schon seit 30 Jahren in Deutschland leben, fortwirken können und noch an die nächste Generation weitergegeben werden.

So ist der 26-jährige Zalim, der für seine Schwester zum Mörder wurde, in Deutschland geboren und aufgewachsen. Und so heiratet Gülnaz älteste Tochter, die doch so gerne Sängerin werden möchte, am Ende einen jungen Kurden, der sich mit ihren Ambitionen sichtlich schwer tut und ihr den öffentlichen Auftritt verbieten möchte. Ein Ausbruch aus dem Teufelskreis ist nicht in Sicht.

"Im Schatten der Blutrache": ARD, 22.45 Uhr

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Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er wurde 1970 in Blumenau (Brasilien) geboren und ist seit fast 40 Jahren in Berlin zu Hause, hat Publizistik und Islamwissenschaft studiert und viele Länder des Nahen Ostens bereist. Er schreibt über Politik, Kultur und Gesellschaft in Deutschland und anderswo, mit Fokus auf Migrations- und Religionsthemen sowie auf Medien und Meinungsfreiheit. Er ist Mitglied im Vorstand der Neuen deutschen Medienmacher:innen (NdM) und im Beirat von CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit. Er hat bisher zwei Bücher veröffentlicht: “Angst ums Abendland” (2015) über antimuslimischen Rassismus und “Die Volksverführer“ (2018) über den Trend zum Rechtspopulismus. Für die taz schreibt er derzeit viel über aktuelle Nahost-Debatten und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW).”

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