TV-Doku über Durchschnittsort Haßloch: Früher war schön
Ein kleiner pfälzischer Ort bildet Deutschland strukturell genau ab. Kann man dort verstehen, was zur Hölle unser Problem ist?
![Ein junger Tischler ist kurz davor, ein Loch zu bohren. Ein junger Tischler ist kurz davor, ein Loch zu bohren.](https://taz.de/picture/1722025/14/e13eb9b76987f663d85b455d7c1ca309_edited_59850126_665dc4978c.jpeg)
Haßloch in der Pfalz ist Deutschland in klein: Ein auf 21.000 Einwohner aufgeblasenes Dorf, in dem das Verhältnis von Arm und Reich, Jung und Alt dem deutschen Durchschnitt sehr nahe kommt. Viele neue Produkte werden deshalb in Haßloch getestet. Reporter des ARD-Magazins „Panorama“ sind nun sozusagen zum Demokratietesten nach Haßloch gefahren, denn bei der Landtagswahl 2016 wählten 18,8 Prozent der HaßlocherInnen die AfD.
Wer sich die knapp halbstündige Dokumentation anschaut, wird sie nicht mehr vergessen. Der bleibende Eindruck ist, dass in Durchschnittsdeutschland etwas entscheidend schiefgelaufen ist – und zwar insbesondere bei der (politischen) Bildung. Hört man dem Haßloch, das der Film zeigt, zu, dann sind die Bemühungen sämtlicher Bildungseinrichtungen wie auch die der Medien verpufft: Denn der Haßlocher Horizont ist der eigene Gartenzaun.
Im Film äußert sich das im beharrlichen Schweigen auf die Frage, was die Politik denn besser machen könne; oder – einmal – in der mutigen Feststellung eines älteren Herren, er könne keinen Rat geben, weil er „zu wenig Kenntnis habe“ und sich zu wenig kümmere.
Eine gewisse biedere Wurschtigkeit um die Geschehnisse, die die deutsche Provinz durchaus mal ausgezeichnet hat, ist in der Darstellung der Dokumentation von einer geradezu angstgestörten, passiv-aggressiven Grundstimmung abgelöst worden, die sich in Klagen über Überfremdung ergeht, während in den täglich ausgeleckten Garagen im Hintergrund die Mercedessterne blitzen.
„Wozu Demokratie? Aufruhr in Minideutschland", Donnerstag, 12.01.2017, 21.45 Uhr, ARD-„Panorama“
Die reale Gefahr, die das süddeutsche Haßloch umtreiben sollte, wäre dabei wohl eher der Klimawandel als die Flüchtlinge; und die Frage ist schon, ob man in öffentlich-rechtlichen Dokumentationen nicht eher die BürgerInnen zu Wort kommen lassen sollte, die der Zukunft zugewandt sind, als jene, die über ein „früher war schön“ weder geistig noch emotional hinauskommen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Trump und Putin
Bei Anruf Frieden