TV-Debatte von Trump und Biden: Blind nach vorn
In der letzten TV-Debatte vor der Wahl am 3. November kann Trump nicht darlegen, was er in einer zweiten Amtszeit eigentlich erreichen will.
Es wird nie wieder eine TV-Debatte mit Donald Trump geben. Das ist nach dem Rededuell von Nashville immerhin sicher. Dabei war diese längst nicht so furchtbar wie die erste Debatte. Es ging geradezu zivilisiert zu, zumindest was den Umgang der beiden Präsidentschaftskandidaten miteinander betrifft.
Der Umgang mit der Wahrheit war, wie unter Trump üblich, eher freihändig bis unverschämt. Eine „nicht endende Aneinanderreihung von falschen, irreführenden und übertriebenen Aussagen“ habe man von Trump gehört, stellte die New York Times anschließend fest. Viele davon seien längst als falsch entlarvt worden.
Niemand kann Trump abnehmen, dass er, wie er sagt, die „am wenigsten rassistische Person in diesem Raum“ sei, nicht, nachdem er Menschen aus Mexiko oder Zentralamerika pauschal als Mörder und Vergewaltiger abqualifiziert hatte und nachdem er die Einreise aus mehreren muslimischen Ländern in die USA verbot.
Er habe mehr für die afroamerikanische Bevölkerung getan „als alle Präsidenten seit Lincoln“, behauptet Trump und wischt damit die Verdienste von Präsident Lyndon Johnson und seiner Bürgerrechtsgesetze der 1960er Jahre vom Tisch. Punkten kann Trump nur, weil er die drastischen Strafverschärfungen für Drogendelikte, die 1994 unter Bill Clinton – und unter aktiver Mitwirkung des damaligen Senators Joe Biden – verabschiedet worden waren, zurückgedreht hat.
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Aber Trump hat seine Wiederwahl mutmaßlich vor allem wegen seines Umgangs mit der Coronapandemie verspielt. Heute sagt er, der Kampf gegen Corona sei erfolgreich, das Virus werde verschwinden und ein Impfstoff stehe in wenigen Wochen zur Verfügung. Nichts davon können ExpertInnen bestätigen. Zu Recht sagt Joe Biden, dass jemand wie Trump, der bisher 220.000 Tote durch die Pandemie zu verantworten habe, nicht verdient, Präsident zu sein.
Von Anfang an hat er die Gefahr des Virus nicht ernst genommen, zumindest in der Öffentlichkeit. Er habe die Menschen nicht in Panik versetzen wollen, gestand er freimütig der Reporter-Legende Bob Woodward. Ebenso wolkig bleiben Trumps Ansichten zur Krankenversicherung. Obamacare sei schlecht, aber er werde den USA ein „nagelneues, schönes Gesundheitssystem“ bescheren.
Das verspricht er seit vier Jahren, und es ist nicht einmal in Ansätzen erkennbar. Biden sagt, er wolle Obamacare um eine staatliche Komponente ergänzen, um die Zahl der Versicherten zu steigern, was einigermaßen realistisch ist.
Gegen Umwelt und Windkraft
Niemand glaubt Trump auch, dass er „die Umwelt liebt“, wie er behauptet. Er sei gegen die Windkraft, weil sie Vögel töte. Dabei gehen fünfmal so viele Vögel in den USA auf das Konto von – na? – Katzen. Trump hat als Präsident reihenweise Umweltrichtlinien gekippt und die Förderrechte von Öl- und Gasunternehmen in Naturschutzgebieten erweitert, zuletzt im ökologisch besonders wertvollen Arctic National Wildlife Refuge in Alaska.
Trump blieb jede Auskunft schuldig, welche politischen Ziele er in einer zweiten Amtszeit verfolgt. Zwar steht „Make America Great Again“ auf Millionen Basecaps, aber man wüsste gern, was das genau heißt. Trump sagt, er sei vor vier Jahren nur angetreten, weil er den Scherbenhaufen von Joe Biden und Barack Obama wegkehren wollte. Irgendwie muss das in den Augen der US-BürgerInnen schiefgegangen sein, wenn Obama am Ende seiner Amtszeit auf 59 Prozent Zustimmung stieß, Trump heute aber nur auf 44 Prozent.
Trump wollte „den Sumpf in Washington austrocknen“, und da hätte es ja einiges zu tun gegeben. Den Einfluss von Lobbyisten auf die Gesetzgebung begrenzen, die Abhängigkeit der Abgeordneten im Kongress von Spenden der Industrie lockern, im Parlament auf sachorientierte Lösungen der gewaltigen Probleme des Landes dringen – aber all das ist unter Trump noch schlimmer geworden, und die Spaltung des Landes hat sich durch seine Art, Politik zu machen, auf ein brandgefährliches Maß vertieft.
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