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TÖDLICHER AUSFLUGUnter schwarzen Segeln

Vor zwei Jahren kenterte ein Torfkahn auf der Hamme, eine Passagierin ertrank. Der Prozess wirft vor allem eine Frage auf: Wie sicher sind die Traditionsschiffe?

Torfkähne auf der Hamme: Zu schmal, zu instabil - ungeeignet für die Passagierschifffahrt, warnen Experten Bild: dpa

Erst ist es nur ein bisschen Wasser, das am Heck eindringt, dort, wo der Motor des Torfkahns befestigt ist. "Nicht schlimm", beruhigt der Skipper. Das Wasser steigt über die Knöchel, ein paar Hundert Meter bleiben bis zum nächsten Steg. Es steigt die Waden hoch, der Skipper gibt Gas. So schilderten Landfrauen aus Bad Segeberg gestern vor dem Bremer Amtsgericht das Ende ihres Ausflugs nach Worpswede im August 2008.

Bis zum Bauchnabel sitzen sie schließlich im Wasser. "Hilfe, wir sinken!", schreien sie. "Sitzen bleiben", ruft der Skipper. Doch niemand hört mehr auf ihn. Der Steg des Campingplatzes Neu-Helgoland ist zum Greifen nahe, "alle standen auf, die meisten sind rüber zur Uferseite", sagt Zeugin Margret G. Zwei springen noch auf den Kai, dann kippt der Kahn. G. liegt elf Tage im Koma. Eine weitere Mitreisende ertrinkt. "Es tut mir leid, dass es zu diesem Unfall gekommen ist", sagt Heinz K., Anbieter der Torfkahn-Fahrten.

Vier Männer sitzen wegen des Unfalls auf der Anklagebank, neben K. die beiden Konstrukteure des Kahns und Helmut B., der Skipper. Für das Gericht geht es darum, ob der Kahn richtig konstruiert war, ob das Querschott zu tief ausgesägt war, ob das Boot mit 18 Personen überladen war, ob genügend Rettungswesten an Bord waren und warum sie nicht ausgeteilt wurden, ob es Fahrfehler gab, warum eine Sicherheitsbelehrung der Passagiere unterblieb und wer für all das die Schuld trägt. Die Anklage spricht von fahrlässiger Tötung.

K. und B. sind beide seit Jahren im Torfkahngeschäft. Noch nie, beteuern beide, habe es dabei einen Unfall gegeben. Doch nach allem, was schon beim ersten Verhandlungstag öffentlich wird, war das vor allem Glück. Denn die traditionsreichen Kähne sind offenkundig alles andere als geeignet für die Passagierschifffahrt. Zu schmal, zu instabil, urteilen Experten. Vor allem, wenn die Passagiere, wie im Falle der "Neu Helgoland" wohl geschehen, alle auf eine Seite des Bootes strömen, kann dieses kippen.

Anders als für Autos gibt es für Torfkähne weder Konstruktions- noch Zulassungsvorschriften. Das brandneue "Bremische Gesetz über die Schiffssicherheit in der Binnenschifffahrt" schreibt zwar insbesondere für "Fahrgastschiffe" eine "Fahrtauglichkeitsbescheinigung" vor. Torfkähne sind davon aber explizit ausgenommen. Noch nicht einmal ein Sportbootführerschein ist Pflicht. Auch Niedersachsen wollte der Touristenattraktion keine Hürden in den Weg legen und erließ entsprechende Ausnahmeregeln. "Es dreht sich immer wieder um die alte Tradition", sagt K. Der Landkreis Osterholz trägt den Torfkahn bekanntlich sogar im Wappen. Der Ansturm auf die Ausflugsfahrten ist ungebrochen.

Nach dem Unfall mussten die Torfkahnskipper in der Region Styropor hinter ihre Planken klemmen, Rettungswesten und Feuerlöscher sind jetzt Pflicht. An der wackeligen Konstruktion ändert das nichts. "Die Gefahr kann man nur verdrängen", meint Karlheinz Hofmann, der die Kähne vom Findorffer Torfhafen aus steuert. Auch er hatte schon mal ein Leck.

Die Bremer Behörden, so heißt es, denken über Sicherheitsvorschriften nach. Einer freiwilligen Überprüfung hat sich zumindest einer der drei Bremer Kähne gestellt. Der ist allerdings einen halben Meter breiter als traditionell üblich.

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2 Kommentare

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  • JS
    john smith

    Ich selbst habe hier in Bremen solche Torfkähne gefahren.

    Regte man Verbesserungen bei der Sicherheit an, stieß man auf Unverständnis oder sogar auf Widerstand. Die maximale Personenzahl wurde öfter nicht eingehalten. Die Skipper wurden noch nicht mal richtig eingewiesen, geschweige denn vernünftig ausgebildet. Ein Torfkahn war so morsch, dass Passagiere Teile des Decks nicht mehr betreten durften. Doch er wurde trotz höchster bedenken weiter eingestzt. Alles wurde mit dem Deckmantel des Schweigens zugedeckt.

    Auf dem Kuhgraben wurde mit Motor gefahren, obwohl man dafür gar keine Genehmigung hatte.Hilfreich war wohl der gute Draht des Betreibers zu Bremer Politikern, wie ein Wasserschutzpolizist, der diese Verhalten bemängelte sich dazu äußerte.

     

    Ein Versuch das der Bremer Presse - nicht der TAZ - mitzuteilen wurde von der örtlichen Presse blockiert. Man fürchtete wohl die guten Beziehungen zu Wirtschaft und Politik (und damit Anzeigenkunden) könnten leiden.

    Kurz nach dem Vorfall an der Hamme wurde dann alles klammheimlich geändert.

  • KB
    karin bryant

    auf diesen Plattboden Seglern sollte es Schwimmwesten fuer alle geben...das waere einfach.Schliesslich ist platz fuer eine gewisse anzahl von personen,also 1 weste fuer jeden Mitfahrer vorm einsteigen.... man kann ja nicht annehmen dass jeder ,der mitfaehrt auch schwimmen kann oder voellig gesund ist.